„The Germany Project“ meets „Seminarkurs Israel“ Zur Kooperation zwischen der Eynot Yarden High School, Kibbuz Amir, Oberes Galiläa und dem Friedrich-Schiller-Gymnasium, Marbach am Neckar

In einem Seminarkurs der 11. Klasse beschäftigen sich Schüler/innen am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach am Neckar ein ganzes Schuljahr lang mit dem Thema „Israel“. Teil des Kursprogramms ist die Begegnung mit Schülerinnen und Schülern der demokratischen Schule Eynot Yarden im äußersten Norden Israels. Teilnehmerinnen und Projektverantwortliche berichten.

Der Seminarkurs „Israel“

Das Friedrich-Schiller-Gymnasium ist das größte allgemeinbildende Gymnasium in Baden-Württemberg mit ca. 2.350 Schülerinnen und Schülern sowie knapp 200 Lehrerinnen und Lehrern. Mit ihrer Größe kann die Schule auf ein umfangreiches und buntes Bildungsangebot zurückgreifen wie u.a. die Internationale Klasse, die Förderung Hochbegabter, die ganze Welt umfassende Austauschprogramme, das junge Profilfach Kimko (= Kunstprofil Intermediale Kommunikation) und bilinguale Klassen.

Die Seminarkurse werden in der elften Klasse angeboten. Ein Jahr lang beschäftigen sich die Lernenden intensiv mit einem Thema, das im regulären Lehrplan nicht vorkommt. Neben der inhaltlichen Arbeit werden sie mit den Methoden wissenschaftlichen Arbeitens vertraut gemacht, um eine eigene Seminararbeit erstellen zu können.

Im Seminarkurs „Israel“, der seit 2012 angeboten wird, stehen die Geschichte des Staates Israel, Politik und Kultur sowie die deutsche Vergangenheit während der Nazizeit und deren Aufarbeitung im Vordergrund. Themen von Seminararbeiten lauten z.B.: „Ist die mediale Berichterstattung in deutschen Medien über den Nahostkonflikt angemessen?“, „Können demokratische Schulen etwas zum Frieden in Israel beitragen?“ oder „Welchen Anteil hat die Kirche an der Judenfeindlichkeit im Mittelalter?“

Barbara: „Wir können uns jetzt – mehr oder weniger – Experten des Themas ›Israel‹ nennen. Insgesamt arbeiten wir sehr viel in Eigenverantwortung. Die Sachverhalte, mit denen wir uns beschäftigen, sollen wir uns selbst erarbeiten und auch wenn unsere Lehrerinnen uns mit Rat und Tat zur Seite stehen, wird von uns sehr viel Selbstständigkeit erwartet. Etwas für Faule ist dieser Seminarkurs auf keinen Fall.“

Begegnungen in Israel und Deutschland

Das Besondere an diesem Seminarkurs ist die Kooperation mit der demokratischen Schule Eynot Yarden im äußersten Norden Israels. Diese erfolgt im Rahmen einer seit 1997 bestehenden, vertraglich besiegelten Partnerschaft zwischen dem Landkreis Ludwigsburg und der Region Oberes Galiläa. Die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer begegnen sich zunächst in Israel und ein Jahr später in Deutschland. Die eigene Familiengeschichte beginnend mit den Urgroßeltern steht in beiden Schulen am Anfang der ähnlich gestalteten Vorbereitungskurse.

Die Beschäftigung damit sensibilisiert die Jugendlichen hinsichtlich ihrer Herkunft und Identität und bereitet sie gleichzeitig auf die Begegnung mit allen Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern vor. Darüber hinaus schafft sie auf deutscher Seite eine Ebene, die den Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Biographie einer jüdischen Persönlichkeit erleichtert, bei der die historischen Vorgänge im Kontext des Lebens einzelner Personen zu beleuchten sind. Inhaltlicher Schwerpunkt ist auf beiden Seiten in der ersten Phase Israel, in der zweiten Deutschland.

Acht Tage in Israel

Im Oktober 2014 ist es soweit. Acht Tage geht es für uns nach Israel. In Jerusalem treffen wir auf unsere israelischen Projektteilnehmer.

Barbara: Ich hatte großes Lampenfieber, doch die Angst war vollkommen unbegründet. Ich habe kaum jemals offenere und nettere Menschen getroffen als die Israelis und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Mit meiner israelischen Austauschschülerin habe ich mich sehr gut angefreundet und wir stehen auch jetzt noch in regem Kontakt.

Das Programm, das uns von israelischer Seite geboten wird, ist vielseitig und gibt uns einen tiefen Einblick in die israelische und jüdische Lebensweise und Kultur.

Kriegserfahrungen und Holocaust

Der Besuch auf den Golanhöhen führt uns an die syrisch-israelische Grenze, von wo aus wir den Bürgerkrieg in Syrien aus sicherer Entfernung beobachten können. Eine für alle surrealistische Erfahrung, die vor Ort zur Diskussion führt über das Erleben selber, den Konflikt in Syrien, seine Auswirkungen auf die gesamte Region sowie Israels Rolle und seine Verpflichtung, den syrischen Flüchtlingen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Außerdem erzählen einige der israelischen Jugendlichen von ihren Erfahrungen während des Libanonkrieges 2006 sie waren damals sieben oder acht Jahre alt.

Persönlich mit Nachkommen von Holocaust-Opfern zu reden, ist ein ganz neuer Einblick in dieses Thema.

Einen weiteren Tag unseres Aufenthalts beschäftigen wir uns gemeinsam mit der Aufarbeitung des Holocausts in einem von Überlebenden des Warschauer Ghettos aufgebauten Studienzentrum im Kibbuz Lochamei HaGeta’ot. Der Austausch und die Konfrontation mit den Israelis erweist sich als sehr große Bereicherung. Eine neue Art der Verständigung und ein neues Verständnis der Geschichte werden hier auf den Weg gebracht.

Barbara: Wir Schüler in Deutschland lernen durch Schulprojekte sehr viel über die Zeit des Nationalsozialismus. Doch persönlich mit den Nachkommen der Opfer zu reden, ist ein ganz neuer Einblick in dieses Thema. Wie der Holocaust die Israeli persönlich berührt, lässt uns nicht unberührt.

Das Verhältnis Israel – Palästina

Teil des Programms ist auch das Verhältnis zwischen Israel und Palästina. Der Vortrag von Prof. Tamar Hagar vom Zentrum für Demokratie und Frieden an der Hochschule Tel Chai, thematisiert die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der in Israel lebenden Araber. Prof. Hagar engagiert sich für institutionelle Veränderungen, die die Chancengleichheit für arabische Studierende im Blick hat und die Inhalte der arabischen Kultur im Hochschulleben legitimeren will. Die anschließend kontrovers geführte Diskussion fordert die Jugendlichen heraus und gewährt ihnen neue Einblicke in die Schwierigkeiten von Weltpolitik und Diplomatie.

Barbara: Es kam immer wieder zu hitzigen Diskussionen, denn die Israelis stimmten uns natürlich nicht in allem zu. (… ) Sehr schnell mussten wir feststellen, dass das, was wir aus Büchern wussten – oder zu wissen glaubten – in der Realität nicht immer so passte, wie wir uns das gedacht hatten. Dies betraf zum Beispiel das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Mit dem Abstand, den wir in Deutschland von der Problematik haben, können wir natürlich viele gut gemeinte Ratschläge geben, doch wie umsetzbar diese dann sind, das können wir schlecht von außen beurteilen. Denn wir wissen nichts von den konkreten Problemen der Menschen dort und so ist ein Urteil häufig vorschnell. Doch das führte nicht dazu, dass wir uns mit den Israelis zerstritten, im Gegenteil, durch unsere Gespräche konnten wir noch mehr über einander lernen.

Über das Verhältnis Israel – Palästina kam es immer wieder zu hitzigen Diskussionen.

Weniger kontrovers erleben die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer die Berichte eines palästinensischen Zeitzeugen, dessen Dorf Bir’im 1948 von den israelischen Streitkräften geräumt wurde. Vor Ort erzählt er uns die Geschichte Bir’ims. Die Anwohner wurden unter dem Vorwand vertrieben, dass sie nach zwei Wochen zurückkehren dürften. Während dieser Zeit wurde das Dorf jedoch vom Militär zum Sperrgebiet erklärt und später zerstört. Unser Zeitzeuge war zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, er sieht sich jedoch auch heute noch als ein Einwohner Bir’ims. Seine Ausführungen hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck, da er zeigt, wie sehr die Menschen unter dem Nahostkonflikt litten und leiden.

Bedeutung des Projekts

Der Aufenthalt in Israel lässt Freundschaften entstehen, fördert die Kommunikation und das Verständnis für eine andere Kultur. Damit lassen sich gute Beziehungen zwischen beiden Ländern ausbauen, die auch in der Zukunft Belastungen Stand halten können.

Barbara: Der Seminarkurs Israel hat mir die Möglichkeit gegeben, ein Land kennenzulernen, von dem ich zuvor so gut wie nichts wusste. Die Rolle Israels in der Welt und der Nahostkonflikt sind Themen, die in der Welt von großer Bedeutung sind. Mehr darüber zu erfahren, wird uns in Zukunft bestimmt noch viel weiterbringen. Ich konnte neuen Leuten begegnen, die grundlegend andere Erfahrungen als ich gemacht haben und machen werden, mich mit ihnen austauschen und anfreunden. Ich möchte unbedingt noch einmal nach Israel reisen, um mehr über die Gesellschaft und die Kultur zu erfahren und vielleicht sogar ein wenig Hebräisch zu lernen. Möglicherweise werde ich sogar ein FSJ in Israel absolvieren. Diese Interessen, die mich jetzt so begeistern und motivieren, wären ohne den Seminarkurs gar nicht entstanden. Es ist eine Erfahrung, die mein Leben prägt.

Der Seminarkurs war eine Erfahrung, die mein Leben prägt.

Der Besuch der Israelis wird im Herbst 2015 stattfinden. Es ist uns wichtig, den israelischen Austauschschülerinnen und -schülern einen ebenso authentischen Einblick in unseren Alltag zu ermöglichen und sie dadurch in die Vielfalt gesellschaftlicher und kultureller Themen hineinzunehmen.

Danielle, eine israelische Projektteilnehmerin: Es war großartig, die deutschen Jugendlichen kennenzulernen, ihnen mein Leben im Kibbuz zu zeigen und einen echten Einblick in unser Leben und Land zu vermitteln. Dass Israel weit mehr ist als man in den Nachrichten mitbekommt und was es heißt, als Israeli zu leben. Wir haben gemerkt, dass wir gar nicht so unterschiedlich sind. Am Ende des Tages waren wir alle nur Teenager. Wir hatten Spaß miteinander und haben miteinander gelacht, und konnten uns trotzdem über Themen wie den Holocaust unterhalten. Durch dieses Projekt lerne ich so viel über mich, Deutschland, mein Land, kulturelle Vielfalt und Toleranz und es geht weiter! Wenn ich daran denke, Deutschland zu besuchen und unsere Freunde wieder zu treffen, werde ich ganz aufgeregt. Deutschland aus deren Augen zu sehen, kann ich kaum abwarten. Ich bin so glücklich darüber, in diesem Projekt zu sein, und kann es definitiv jedem empfehlen, der aufgeschlossen ist, gerne lernt und viel Spaß haben will. (aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Theurer)

Der Beitrag entstand unter Mitarbeit der Schülerinnen Laura Herdtle und Barbara Niedermaier und des Schülers Moritz Rothhaar vom Friedrich-Schiller Gymnasium, Marbach a.N. Die Zitate stammen von den Schülerinnen Danielle Feibel und Barbara Niedermaier.

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