Gerechtigkeit – Respekt vor Gott Auslegung von Sure 5:8

„Ihr, die ihr glaubt, tretet für Gott ein und legt Zeugnis für die Gerechtigkeit ab. Und die Abneigung bzw. der Hass gegen bestimmte Leute soll euch nicht dazu verleiten, nicht gerecht zu sein. Seid gerecht, das entspricht viel eher der Gottesfurcht. Und fürchtet Gott. Gott hat Kenntnis von dem, was ihr tut.“ (Qur’an 5:8)

Dieser Vers in der fünften Sure des Qur’ans lässt zwei Aspekte erkennen: Zum einen sind Abneigung und Hass offenbar Eigenschaften, denen sich die wenigsten Menschen entziehen können. Zum anderen stellt Gerechtigkeit einen Wert dar, den Gott vom Menschen bedingungslos einfordert.

Einige bekannte Qur’anexegeten, wie z.B. Tabari oder Ibn Kathir, gehen davon aus, dass es zum Charakter und Wesen eines gottesfürchtigen Menschen gehören sollte, um des einen Gottes Willen gerecht zu sein. Bereits in Sure 4, Vers 135 fordert Gott Gerechtigkeit gegenüber Freund und Feind ein, selbst wenn dies zum eigenen Nachteil oder zum Nachteil von Angehörigen gereicht.

Gerechtigkeit lässt sich auf vielen Ebenen verwirklichen: so z.B. als Redlichkeit gegen sich selbst und als Loyalität zu Gott. Das bedeutet nicht nur, seine Gebote zu respektieren und möglichst umzusetzen, sondern ihm die letzten Entscheidungen über Mitmenschen zu überlassen und somit seine Gerechtigkeit weder anzuzweifeln noch zu beschneiden. Der Hass, gegen den Menschen sich nicht immer wehren können, entsteht oft durch Ungerechtigkeit, die ihnen zugefügt wird. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, gebietet Gott also, auch der (erlittenen) Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit entgegenzusetzen.

Das „Satanische Prinzip“

Dazu gehört es, dass der Mensch nicht dem ›Satanischen Prinzip‹ verfällt – jenem Axiom, das Iblis (Schaitan) anwendet, als Gott seinen Engeln gebietet, sich vor dem Prototyp Mensch zu verneigen, und Iblis dies verweigert – mit der Begründung: „Ich bin besser als der Mensch!“ (Sure 7,12). So, wie sich hier aus eigenem Ermessen ein Geschöpf Gottes über ein anderes – entgegen der Anweisung Gottes – erhebt, so tut dies der Mensch heute noch. Sich als besser zu deklarieren als ein Mensch anderer Hautfarbe, eines anderen sozialen Status oder auch einer anderen Ideologie oder Religion, legt die Grundlage für ungerechtes Handeln. Viele lassen es an Demut fehlen, Gott, gerade über religiöse Angelegenheiten ein Urteil anheim zu stellen.

Göttliche Gerechtigkeit geht im Qur’an stets mit der Barmherzigkeit einher, ja, Gott hat sich nach qur’anischer Aussage sogar selbst Barmherzigkeit gegenüber seiner Schöpfung vorgeschrieben (Sure 6,12). Viele scheinen sich instinktiv gegen die Möglichkeit zu wehren, die Schöpferkraft, Gott, könnte gerade denjenigen gegenüber barmherzig sein, von denen man sich selbst ungerecht behandelt fühlt. Aber genau das ist ein Bemessen göttlicher Gerechtigkeit mit menschlichen Maßstäben. Oder auch mangelndes Vertrauen in eben diesen Gott, den viele mit ihrem Tun ›verteidigen‹ wollen.

Barmherzige Gerechtigkeit

Die vielen Gräueltaten, die im Namen von Religion geschehen, haben nichts zu tun mit der Ausübung göttlichen Willens, sondern vielmehr mit der Überhöhung des eigenen Ego. Gott bedarf keiner Verteidigung. Und anzunehmen, man wisse selbst am besten, Gottes Worte und Gebote umzusetzen, ist mehr als vermessen. Andere mögen vieles tun und denken, was einem selbst nicht gefällt und manchmal als hassenswert erscheint. Aber gerade wenn es in den individuellen religiösen Bereich fällt, sollte das Vertrauen in Gottes eigenes Urteil den Ausschlag geben.

Die Gerechtigkeit, zu der uns der Schöpfer in diesem Qur’anvers ermahnt, ist auch eine Aufforderung, seine barmherzige Gerechtigkeit zu respektieren.

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