Auf dem Weg zu einer Kirche des gerechten Friedens Ein Diskussionsbeitrag aus der Evangelischen Landeskirche in Baden

„Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ lautet der Titel eines Diskussionspapiers, das die Synode der Evangelischen Landeskirche in Baden als Ergebnis eines zweijährigen Konsultationsprozesses 2013 verabschiedet hat. „Krieg scheidet als Mittel der Politik aus und darf nach Gottes willen nicht sein!“, wird darin bekräftigt. „In der Konsequenz bedeutet dies, auf militärische Einsätze zu verzichten.“

Einem Anstoß von der Basis ist es zu verdanken, dass in der Evangelischen Landeskirche in Baden wieder eine lebendige Diskussion zur Friedensethik stattfindet, nachdem man sich viele Jahre mit anderen Themen befasst hatte. Eine kleine Arbeitsgruppe des bei Freiburg liegenden Kirchenbezirkes Breisgau-Hochschwarzwald hatte sich 2011 mit einer Eingabe an die Landessynode gewendet. Die Gruppe kritisierte inhaltlich die Friedensdenkschrift der EKD von 2007 und forderte die Kirchen-leitung angesichts der jüngsten Kriege und Auslandseinsätze zu einer Neuorientierung der Friedens-ethik auf. Nicht militärische Mittel, sondern gewaltarme und gewaltfreie Formen der Konfliktlösung sollten künftig klarer und eindeutiger im Mittelpunkt einer theologisch verantworteten evangelischen Friedensethik stehen.

Der Konsultationsprozess

Ein Konsultationsprozess in allen Kirchenbezirken wurde daraufhin in Gang gesetzt, der zwei Jahre andauerte. Zunächst wurde der Evangelische Oberkirchenrat beauftragt, einen Entwurf für ein Positionspapier zu erarbeiten, das als Diskussionsgrundlage diente. Zusammen mit einer Stellungnahme des Militärdekanats München wurde dieser Entwurf im Herbst 2012 mit der Bitte um Stellungnahme an die Bezirkssynoden gesendet (Entwurf des Positionspapiers, Download unter: www.ekiba.de/friedensethik). Fast alle Bezirkssynoden und einige Pfarrkonvente organisierten daraufhin Veranstaltungen in ganz unterschiedlichen Formaten, um das Positionspapier zu diskutieren. Während manche sich im Rahmen einer Bezirkssynode nur innerhalb eines knappen Zeitrahmens von zwei Stunden mit der Thematik befassten, gab es andere Kirchenbezirke, in denen ein oder sogar mehrere Studientage zur Thematik durchgeführt wurden.

Ebenso unterschiedlich waren die Stellungnahmen selbst. Außer 23 Bezirkssynoden haben einige Kirchengemeinden und Einzelpersonen sowie 17 größere Gruppierungen aus Kirche und Friedensbewegung schriftlich Stellung genommen. Eine besondere Bedeutung für den Diskurs hatte ein Studientag der Landessynode im Juni 2013. Als Hauptreferenten kommentierten Pfarrer Dirk Rademacher (in Stellvertretung des damaligen EKD-Militärbischofs Martin Dutzmann) und der mennonitische Theologe Fernando Enns den Entwurf des Positionspapiers. Eine Reihe von Arbeitsgruppen der Landessynode vertiefte Einzelthemen der Diskussion (vgl. Reader zum Studientag der Landessynode vom 7. Juni 2013 zum friedensethischen Diskussionsprozess in der Evangelischen Landeskirche in Baden, hg. von der Arbeitsstelle Frieden, Karlsruhe 2013. Download unter: www.ekiba.de/friedensethik).

Das schriftliche Ergebnis

Das schriftliche Ergebnis des Konsultationsprozesses ist ein Papier, das im Oktober 2013 von der Landessynode verabschiedet wurde: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Ein Diskussionsbeitrag aus der Evangelischen Landeskirche in Baden. Karlsruhe 2014 (erhältlich bei: Evangelischer Oberkirchenrat, Arbeitsstelle Frieden, Blumenstraße 1-7, 76133 Karlsruhe, oder als Download unter www.ekiba.de/friedensethik). Der Titel ist eine Gebetsbitte: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,79). Der Untertitel macht deutlich, als was dieser Beitrag im Rahmen der friedensethischen Diskussion verstanden sein will: „Ein Diskussionsbeitrag aus der Evangelischen Landeskirche in Baden.“

Begleitet wird dieser Diskussionsbeitrag von einem zwölfteiligen Beschluss der Landessynode zu konkreten Umsetzungsschritten. Im Vorwort des Diskussionspapiers nennt die langjährige Präsidentin der Landessynode die Absicht, mit der Veröffentlichung einen Diskussionsprozess in allen Gliedkirchen der EKD anzustiften. Tatsächlich fand das Papier bereits spürbare Aufmerksamkeit in anderen Landeskirchen und Diözesen sowie in der Friedensbewegung und auf Seiten des Militärbischofs der EKD.

Es ist die Absicht, mit der Veröffentlichung des Diskussionspapiers einen Diskussionsprozess in allen Gliedkirchen der EKD anzustiften.

Konsens und Dissens

Sowohl Punkte des Konsenses als auch des Dissenses wurden im Verlauf des Diskurses in den mündlichen Diskussionen und in den vielen schriftlichen Stellungnahmen deutlich. Im Mittelpunkt standen theologisch-ethische Fragen, z.B. zur Aufgabe der weltweiten Kirche als Leib Christi und zur Nachfolge Jesu, zu Bedeutung und Relevanz der Bergpredigt „in der noch nicht erlösten Welt“, zur theologischen Verankerung der Gewaltfreiheit und zu den Prüfkriterien für den Einsatz militärischer Gewalt als „ultima ratio“. Daneben wurden auch friedenspolitische Einschätzungen und Positionen diskutiert, etwa zu Erfolg oder Misserfolg der militärischen Interventionen der Nato und der Bundeswehr auf der einen Seite und der gewaltfreien Revolutionen auf der anderen Seite.

Viele Bezirkssynodale äußerten sich positiv und überrascht zu den vielen aktuellen Beispielen erfolgreicher ziviler Konfliktbearbeitung, die im Entwurf des Positionspapiers genannt und in einigen Veranstaltungen genauer geschildert wurden. Weitere häufig vertiefte Diskussionsthemen waren die Unterscheidung zwischen polizeilichen Zwangsmaßnahmen und militärischer Gewalt sowie Fragen zur Rüstungsindustrie und zu Rüstungsexporten. Nur am Rande diskutiert wurden kirchenpolitische Fragestellungen wie die Struktur der Militärseelsorge in Deutschland.

Eines der erreichten Ziele der Eingabe an die Landessynode war es, die kirchenleitenden Gremien der Evangelischen Landeskirche in Baden zu einem deutlichen Votum für gewaltfreie Konfliktlösungsmethoden zu ermutigen. Nicht erreicht wurde die Absage an alle gewaltförmigen Mittel. Überraschend war für Viele, wie lebhaft und kontrovers der Diskussionsprozess verlief. In vielen Punkten wurde ein Konsens deutlich, der die Verabschiedung des Diskussionsbeitrages ermöglichte. Dennoch blieben auch in vielen Fragestellungen unterschiedliche Auffassungen nebeneinander stehen.

Inhalt und Zielrichtung des Diskussionspapiers

Inhalt und Zielrichtung des Diskussionsbeitrages „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ werden in der Zusammenfassung deutlich. Dort heißt es:

Carl Friedrich von Weizäcker hatte schon 1963 erklärt: Der Krieg als Institution muss in einer fortlaufenden Anstrengung abgeschafft werden. Angesichts der schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges wurde sowohl von der Ökumene und von den Vereinten Nationen, als auch von der badischen Landeskirche wiederholt die Ächtung des Krieges ausgesprochen: „Krieg scheidet als Mittel der Politik aus und darf nach Gottes willen nicht sein!“ Daher muss der Tendenz gewehrt werden, den Krieg wieder als normales Mittel der Politik anzusehen und wirtschaftliche Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. In der Konsequenz bedeutet dies, auf militärische Einsätze zu verzichten. In der Nachfolge Jesu Christi steht uns eine Fülle ziviler, gewaltfreier Mittel zur Verfügung, um uns national und international für gerechten Frieden einzusetzen. Als Christen sehen wir für diesen Weg alle Verheißungen. So kann wirkliche Versöhnung zwischen verfeindete Parteien wachsen. In Ergänzung zu gewaltfreien Mitteln der Konfliktbearbeitung sind allein rechtsstaatlich kontrollierte polizeiliche Mittel ethisch legitim. In kriegsähnlichen Konfliktsituationen, die die nationalen Polizei-kräfte überfordern, ist an internationale, durch das Völkerrecht legitimierte, z.B. den Vereinten Nationen unterstehende Polizeikräfte zu denken. (Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens, S. 9)

Diese Zusammenfassung beinhaltet eine klare Absage an das Kriegführen und an militärische Einsätze. Darin unterscheidet sich der badische Beitrag von der EKD Friedensdenkschrift von 2007, die militärische Einsätze als „ultima ratio“ vorsieht. Der qualitative Unterschied zwischen Polizeieinsätzen und Militäreinsätzen muss allerdings noch präziser definiert werden.

Konkrete Arbeitsaufträge und Selbstverpflichtungen

Die begleitenden Beschlüsse der Landessynode zielen auf konkrete Arbeitsaufträge und Selbst-verpflichtungen. Sie beinhalten dadurch ein Programm zur Friedensarbeit, das einige Jahre zur Umsetzung brauchen wird. Diese Umsetzungsschritte wurden alle mehrheitlich beschlossen, aber mit unterschiedlichen Mehrheiten.

In Beschlussteil 1 verpflichtet sich die Landessynode, mindestens einmal in jeder Amtsperiode das Thema Frieden auf die Tagesordnung zu setzen. In Beschlussteil 3 wird die Bereitschaft erklärt, Konfliktprävention und zivile Konfliktbearbeitung zu unterstützen durch die Ausbildung von Fachleuten in konstruktiver Konfliktbearbeitung und die Entsendung von badischen Friedensfachkräften in andere Länder.

Weitere Teilbeschlüsse ermutigen dazu, die Projekte und Konzepte für den Klimaschutz, für soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Mehrere Beschlüsse befassen sich mit konkreten Schritten der Friedenspädagogik vom Kindergarten und den kirchlichen Schulen über den Konfirmanden- und Religionsunterricht bis zu den Bildungsplänen und der Jugendarbeit. Angesprochen sind auch die Angebote von Evangelische Akademie und theologischer Fakultät. Im Teilbeschluss 5 wird die FEST in Heidelberg mit einem Forschungsauftrag zu Just Policing beauftragt, der klären soll, ob und wie in zwischenstaatlichen Konflikten militärische Gewalt immer mehr durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen ersetzt werden kann.

Nur mit einer knappen Mehrheit beschloss die Landessynode im Beschlussteil 6 Folgendes:

Gleich dem nationalen Ausstiegsgesetz aus der nuklearen Energiegewinnung gilt es, möglicherweise mit anderen EU Mitgliedsstaaten, ein Szenario zum mittelfristigen Ausstieg aus der militärischen Friedenssicherung zu entwerfen. Mitglieder und Mitarbeitende des EOK sowie Synodale werden gebeten, dieses Anliegen bei Begegnungen mit den in der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zusammengeschlossenen Kirchen einzubringen.

Gleich dem nationalen Ausstiegsgesetz aus der nuklearen Energiegewinnung gilt es, ein Szenario zum mittelfristigen Ausstieg aus der militärischen Friedenssicherung zu entwerfen.

Dieser Beschluss hat einige Kritiker auf den Plan gerufen, wird hier doch ein Denkverbot aufgehoben, das sich Kirchenleitungen oftmals selbst gegeben haben. Doch bleibt die vorsichtige Formulierung zu beachten. Nicht der Verzicht auf die militärische Friedenssicherung wird gefordert, sondern es wird lediglich gebeten, ein Szenario zum mittelfristigen Ausstieg zu entwerfen.

Mit großer Mehrheit wurde Beschluss 7 verabschiedet, in dem es heißt: Beim Export von Kriegswaffen müssen die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen eingehalten und Transparenz über die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates hergestellt werden. Mittelfristig ist der Export von Kriegswaffen einzustellen.

Das Diskussionspapier und die aktuelle politische Lage

Zur aktuellen politischen Lage konnte sich der vor einem Jahr verabschiedete Diskussionsbeitrag aus Baden noch nicht äußern. Auf der Argumentationslinie des Papiers und der Beschlüsse liegen jedoch einige öffentliche Äußerungen des seit dem 1. Juni 2014 amtierenden Landesbischofs Jochen Cornelius-Bundschuh. Dieser äußerte sich kritisch gegenüber der Aufforderung des Bundes-präsidenten Gauck, die bisherige militärische Zurückhaltung Deutschlands aufzugeben. Ende Juni erklärte der neue Landesbischof gemeinsam mit Synodalpräsidentin Fleckenstein:

Statt durch eine eigene militärische Option sollte Deutschland seine internationale Verantwortung so wahrnehmen, dass es auf allen Ebenen den Vorrang ziviler Konfliktlösungen massiv durch diplomatische, wissenschaftliche, finanzielle und persönliche Maßnahmen fördert. (epd südwest aktuell Nr. 51 / 30.06.14)

Nach einem Appell verschiedener Kirchenführer aus dem Libanon und aus Syrien an die Partnerkirchen, der im August veröffentlicht wurde, sprach sich der badische Landesbischof mehrfach für eine Verstärkung der humanitären Hilfe und gegen Waffenlieferungen in die Konfliktgebiete aus, zuletzt bei einer Begegnung mit dem Metropoliten der syrischen Antiochenisch-Orthodoxen Kirche, Erzbischof Isaak Barakat. Dieser schilderte bei einem Pressegespräch im Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe die extrem schwierige Lage der christlichen Kirchen und anderer Minderheiten und bat um verbesserte Aufnahmebedingungen für die Flüchtlinge in Deutschland. Deutlich widersprach Erzbischof Barakat dem Ruf nach weiteren Waffenlieferungen und sagte: „Mehr Waffen heißt mehr Gewalt und mehr Zerstörung und mehr Gefahr für die Zukunft.“ (Pressemitteilung der Ekiba vom 29.09.2014).

Mehr Waffen heißt mehr Gewalt und mehr Zerstörung und mehr Gefahr für die Zukunft.

Eine vergleichbare friedensethische Position vertritt offensichtlich der katholische Bischof Heinz-Josef Algermissen. Der Präsident von Pax Christi Deutschland äußerte sich am 14. Oktober 2014 zur Lage in Syrien und im Irak. Er sagte:

Um nicht als Nichtstuer zu gelten, sind wir oftmals geneigt, gegen eigene Grundsätze und wider besseres Wissen für Militäreinsätze zu plädieren. Sind aber die militärischen Antworten nicht eine ebenso hilflose Geste? (…) Die Waffenlieferungen wirken hilflos, auch weil sie nicht mit einem politischen Konzept verbunden sind. (Aufruf des Pax Christi Präsidenten Bischof Heinz Josef Algermissen zur Ökumenischen Friedensdekade , Berlin/ Fulda 14.Oktober 2014)

Algermissen kritisiert, dass beim Kampf gegen die IS eben nicht schon alle anderen diplomatischen und gewaltärmeren Mittel versucht worden seien. Erst jetzt beginne man z.B. auf die Kanäle der Finanzierung des IS hinzuweisen. Der Pax-Christi Präsident nennt in aller Kürze verschiedene Handlungsmöglichkeiten sowohl für die politischen Akteure wie für die Kirchen und stellt abschließend fest: „Der Weg Jesu ist kein Weg der Gewalt und kein Weg des Nichtstuns. Er wendet sich denen zu, die unter Gewalt leiden und bittet für die Umkehr derer, die hassen und töten.“

Fazit

Ein argumentativer Verantwortungs-Pazifismus fragt sowohl nach den politischen Ursachen wie den Folgen des Handelns. Die friedensethische Diskussion in der Evangelischen Landeskirche in Baden hat sich dieser Herausforderung gestellt. Es wird eine tendenziell pazifistische, jedoch sehr differenzierte Position vertreten. Befruchtet wurde der Diskurs durch die Diskussion in der weltweiten Ökumene und durch theologische Impulse aus den Friedenskirchen und aus den mennonitisch-katholischen Gesprächen zum Thema „Just policing“.

Die Landessynode als Leitungsorgan hat sich mit ihrem Beschluss verpflichtet, sich auf den Weg zu einer Kirche des gerechten Friedens zu machen. Damit hat sie den Aufruf der ökumenischen Versammlung in Busan im Jahr 2013 zu einem weltweiten „Ökumenischen Pilgerweg für Frieden und Gerechtigkeit“ aufgenommen und sich diesem Pilgerweg angeschlossen.

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