„Der Tisch für die Flüchtlinge muss von denen gedeckt werden, die im Reichtum schwelgen!“ Wie die „Willkommenskultur“ finanziert werden kann

Dass Flüchtlingen in Deutschland geholfen wird und sie Aufnahme finden, ist eine moralische Frage. Aber wenn wir wollen, dass die viel beschworene „Willkommenskultur“ erhalten bleibt und die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt, dann dürfen die Benachteiligten in unserem Land jetzt nicht vergessen werden.

Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Bibel ist voller Geschichten über Flucht und Vertreibung. Abraham musste mit seiner Frau vor einer Hungersnot in Kanaan nach Ägypten fliehen – heute würden ihn manche dafür „Wirtschaftsflüchtling“ schimpfen. Das spätere Volk Israel, das in Ägypten versklavt war, floh aus dem Herrschaftsbereich des Pharao. Und aus Angst vor der Ermordung ihres Kindes flohen Maria und Josef nach Ägypten. Immer wieder sind es Despoten, die die Schwachen und Benachteiligten zur Flucht in ein anderes Land treiben. Dass den Schutzsuchenden geholfen wird und sie Aufnahme finden, ist eine moralische Frage. Aber: „Es ist sehr viel leichter, eine Sache prinzipiell als in konkreter Verantwortung durchzuhalten“, hat schon Dietrich Bonhoeffer gewusst. Wer in konkreter Verantwortung steht, der weiß, dass die Herausforderungen groß sind und dass bei vielen Deutschen Ängste, Sorgen und Ressentiments wachsen.

Der Tisch für die Flüchtlinge darf nicht von denen gedeckt werden müssen, denen es bereits schlecht geht

Deutschland insgesamt hat die Kraft und alle Möglichkeiten, viele Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn aber die Bundeskanzlerin erklärt: „Wir schaffen das“, dann muss man hinterfragen, wen sie mit diesem „wir“ meint. Der Tisch für die Flüchtlinge sollte nicht von denjenigen gedeckt werden müssen, denen es bereits schlecht geht – den Arbeitslosen, Geringverdienern, Leiharbeitern und den Älteren mit niedrigen Renten – sondern von denjenigen, die im Reichtum schwelgen und keine Angst haben müssen, den Wettbewerb um Wohnraum und Arbeitsplätze gegen neu hinzukommende Flüchtlinge zu verlieren. Die Trennlinie verläuft nicht so sehr zwischen Deutschen und Flüchtlingen, sie verläuft eher zwischen arm und reich, mächtig und ohnmächtig. Es ist wohlfeil, eine ungesteuerte Aufnahme von Flüchtlingen zu fordern, wenn man selbst ein gesichertes Auskommen hat.

Wenn wir wollen, dass die viel beschworene „Willkommenskultur“ erhalten bleibt und die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt, dann dürfen die Benachteiligten in unserem Land nicht vergessen werden. Wir brauchen jetzt einen Mindestlohn, der ausnahmslos sowohl im Berufsleben als auch im Alter vor Armut schützt – das geht nicht unter zehn Euro die Stunde. Der Hartz-IV-Regelsatz muss zudem in einem ersten Schritt auf 500 Euro erhöht und dann durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung auf tatsächlich existenzsicherndem Niveau ersetzt werden. Der soziale Wohnungsbau ist deutlich zu verstärken. Um das zu finanzieren müssen Millionen-Einkommen, Vermögen und Erbschaften wieder angemessen besteuert werden, bei gleichzeitiger Entlastung von Normal- und Geringverdienern.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Aufnahme der Flüchtlinge 10 Milliarden Euro kosten wird. Der Finanzbedarf wird höher sein. Dennoch steht diesen „Kosten“ ein ungleich höherer Betrag gegenüber: Denn die sogenannten Steuerflüchtlinge betrügen Deutschland nach verschiedenen Schätzungen um 100 Milliarden Euro.

Die Zuwanderung Schutzsuchender darf nicht zur Lohndrückerei missbraucht werden.

Wenn nun CDU-Politiker und Wirtschaftslobbyisten fordern, dass der Mindestlohn für Flüchtlinge nicht gelten soll, erkennt man, was hinter ihrer „Willkommenskultur“ in Wahrheit steckt: Der Wunsch, die Zuwanderung Schutzsuchender als neue Möglichkeit zur Lohndrückerei zu missbrauchen. Um alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, sowohl deutsche wie auch Flüchtlinge, sollte für alle ausnahmslos eine armutsfeste Lohnuntergrenze gelten.

Die hartnäckigsten Integrationsverweigerer sitzen in den Villenvororten

Weil die öffentlichen Kassen infolge der Steuergeschenke für Reiche und Superreiche leer sind, muss die Flüchtlingshilfe zu einem Großteil von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern getragen werden. Weil der soziale Wohnungsbau vernachlässigt worden ist, fehlt es nun vielerorts an bezahlbarem Wohnraum. Hartz IV mit dem Zwang, jede Arbeit annehmen zu müssen, egal wie schlecht sie bezahlt wird, wirkt als Rutschbahn der Löhne. Immer mehr Menschen in unserem Land müssen zu Billiglöhnen, als Leiharbeiter oder in anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Dies ist eine direkt Folge der verheerenden Agenda-Politik, die SPD und Grüne zusammen mit Union und FDP durchgesetzt haben und nicht das Ergebnis des derzeitigen Flüchtlings-Zustroms.

Durch die derzeitige Hilfe für die Flüchtlinge wächst bei vielen benachteiligten Deutschen aber die Angst, vergessen zu werden. Dennoch sitzen hartnäckige Integrationsverweigerer nicht nur in den Armenvierteln, sondern auch in den Villenvororten: Es sind die reichen Deutschen, die sich durch den Wegfall der Vermögenssteuer, der Senkung des Spitzensteuersatzes und den weitgehenden Verzicht auf die Besteuerung großer Erbschaften der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe verweigern. Die Mieten steigen auch in Vierteln, in denen keine Reichen wohnen. „Wenn dein Bruder verarmt und neben dir abnimmt, so sollst du ihn aufnehmen als einen Fremdling oder Gast, dass er lebe neben dir, und sollst nicht Zinsen von ihm nehmen noch Wucher“, heißt es schon im Alten Testament (3. Mose 25,35-38).

Viele Flüchtlinge werden beim Wiederaufbau ihres Heimatlandes fehlen

Die meisten der Flüchtlinge werden bei uns bleiben. Wenn vielleicht irgendwann die Kriege, Bürgerkriege und Verfolgungen in ihren Heimatländern beendet sein werden, dann werden viele nicht noch einmal bei Null anfangen wollen. Natürlich können diese Menschen aus anderen Kulturen unsere Gesellschaft bereichern. Aber gleichzeitig werden sie in ihrer Heimat fehlen.

Die deutsche Wirtschaft hofft, den Fachkräftemangel durch gut ausgebildete Flüchtlinge ausgleichen zu können. Aber gerade diese gut Ausgebildeten würden beim Wiederaufbau ihrer Heimatländer gebraucht. Die traurige Wahrheit ist, dass die reichen Länder dieser Welt – und Deutschland macht dabei mit – zuerst am Verkauf ihrer Waffen verdienen, dann Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte führen, um schließlich auch noch von gut ausgebildeten Flüchtlingen zu profitieren.

Unter Bombenteppichen wächst kein Frieden

Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine humanitäre Katastrophe ist, wenn 60 Millionen Menschen gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen, viele bei der Flucht sterben und Familien auseinandergerissen werden. Deshalb müssen vor allem die Ursachen der Flucht in den Blick genommen werden. Die Menschen fliehen vor Krieg und Vertreibung, Hunger und Elend. Waffenexporte und Interventionskriege sind mit verantwortlich für die Flüchtlingsbewegungen und müssen daher umgehend beendet werden.

Im ersten Halbjahr 2015 hat die Bundesrepublik die Waffenexporte in den Nahen Osten noch einmal gesteigert. Eine Schande! Dass die US-Regierung erklärt, die Aufnahme der Flüchtlinge sei ein Problem der Europäer, ist blanker Zynismus. Die USA haben den Nahen Osten in Brand gesetzt, vor allem in Afghanistan, im Irak und in Syrien. Die Bundesregierung muss den Mut haben, von der US-Regierung Milliarden-Beträge zu fordern, um die Integration der Flüchtlinge mitzufinanzieren. Zudem sind die USA verpflichtet, ähnlich viele Flüchtlinge aufzunehmen wie Europa.

Armut und Hunger weltweit bekämpfen

Weltweit wurden letztes Jahr rund 1,8 Billionen Dollar für Kriegswaffen ausgegeben. Deutschland will seinen Kriegsetat noch einmal erhöhen. Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, hat das zu Recht kritisiert: „Es gibt andere Möglichkeiten, auf Konflikte und Krisen zu reagieren als mit mehr Waffen.“ Dieses Geld wäre besser in Programme gegen den weltweiten Hunger angelegt worden. 795 Millionen Menschen auf der Welt haben nicht genug zu essen. Deutschland sollte daher die Entwicklungshilfe so erhöhen, wie schon seit vielen Jahren versprochen: auf zumindest 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Und die EU muss aufhören, die afrikanischen Staaten zu zwingen, europäische Waren zu kaufen, sondern Afrika wieder Schutzzölle erlauben, die die heimische Wirtschaft stützen.

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