Was fällt Ihnen zum Begriff “Zivilcourage” ein? Wir haben uns umgehört, was Menschen mit dem Begriff verbinden

Martina Schmidt, Freiburg, Journalistin

Zivilcourage heißt, meine Meinung sagen und in Kauf nehmen, dass ich damit anecke oder allein dastehe. Für mich ist Zivilcourage eng verbunden mit wachsamem Interesse, das bedeutet ja dazwischen sein und nicht als stummer Zeuge den Dingen einfach „beiwohnen“, mit denen ich nicht einverstanden bin. Zuletzt habe ich mich in einem Altenpflegeheim eingemischt, als ich das Gefühl hatte, eine alte Dame, die ich besucht habe, werde nicht genug betreut.

Otto Deutsch, Pfarrer i.R., Klarenthal

Zivilcourage haben im Oktober (2016) zwei syrische Flüchtlinge in Leipzig gezeigt. Sie hielten ihren Landsmann, einen vermutlichen Terroristen, in ihrer Wohnung fest, bis die Polizei kam. Einer der beiden sagte: „Ich war total wütend auf ihn. So etwas akzeptiere ich nicht – gerade hier in Deutschland, dem Land, das uns die Türen geöffnet hat.“ Sie waren mutig, obwohl sie mit der Rache des IS rechnen müssen.

Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg

Im Begriff „Zivilcourage“ steckt das französische Wort für „Herz“. Deshalb bedeutet Zivilcourage für mich, beherzt zu sein, das heißt, mich einzumischen, wenn ich Zeugin von Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, Mobbing oder im schlimmsten Fall Gewalt werde. Das kann überall passieren: in der Familie, im sozialen Nahraum, privat oder im Dienst. Dazu gehört es aber auch, die eigenen Grenzen zu kennen und nicht um jeden Preis heldenmütig zu sein.

Annika Winckel, Saarbrücken, Oberstudienrätin

Eine „whatsapp-Gruppe“ in der 7. Klasse. Ein Schüler wird über Wochen gemobbt. Nur die Klasse weiß es. Irgendwann in der Klassenleiterstunde steht ein Schüler auf, bricht in Tränen aus, sagt, er könne es nicht mehr ertragen, weil es so furchtbar sei, auch wenn er jetzt als Verräter gelte. Zwei Mitschüler trösten ihn. Viele nicken ihm dankbar zu. – Er wurde kein „Opfer.“

Dr. Johannes Friedrich, Landesbischof a.D.

Zivilcourage ist für mich eine Haltung, die in kritischen Situationen bereit ist, die Wahrheit laut zu sagen, auch wenn dies möglichweise mit Nachteilen für die eigene Person verbunden ist. Zivilcourage ist deshalb eine zutiefst christliche Verhaltensweise, da sie das Wohl des Nächsten, dem man u.U. mit der Wahrheit beiseite zu stehen hat, über das eigene Wohl stellt.

Cornelia Coenen-Marx, Publizistin, Hannover

„Für das Wort und die Freiheit“ – bis zum Militärputsch in der Türkei hat mich die Kampagne des Börsenvereins nicht besonders beeindruckt. Dann aber fand #FreeWordsTurkey“ fast 75.000 Unterzeichner in einer Woche. Ich habe auch unterschrieben, weil mich der Mut und die Zivilcourage der Journalisten und Autorinnen in der Türkei zutiefst beeindruckte, die buchstäblich alles für die Freiheit des Wortes geben: Gesundheit, Anstellung, Haus und Heimat. Hier kostet es weit weniger, Stellung zu beziehen, aber es ist weder beliebig noch folgenlos – gleich ob es um den Genozid an den Armeniern oder um die neue Rechte geht. Zivilcourage beginnt mit dem mutigen Wort.

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