Stichwort: Generationenkonflikt

Die frühere Kluft zwischen den Generationen ist nicht mehr vorhanden, man verbindet sich und geht Allianzen ein. Die Grenzen zwischen den Generationen verwischen sich auf neuartige Weise.

Viele junge Leute wohnen heute sehr lange im Elternhaus. Noch nie waren die Anteile derer so groß, die auch noch in den zwanziger Jahren ihres Lebens gemütlich im Elternhaus verweilen. Bei den jungen Männern sind die Zahlen noch deutlich höher als bei den Frauen. Nach Statistischem Bundesamt wohnen die jungen Männer noch zu 12 % im Alter von 30 Jahren im Hotel Mama.

Was sind die Motive dafür? In erster Linie ist es Bequemlichkeit. Weil die Eltern schon in jungen Jahren so überfürsorglich waren, kommt man als junger Mann oder junge Frau gerne auf das Angebot zurück und genießt den Komfort des gefüllten Kühlschranks und der gut funktionierenden Wäscherei unter Mutters Regie. Die wahren Gründe liegen aber tiefer. Die heutige junge Generation ist nämlich die erste in der Nachkriegszeit, die nach ihrer eigenen Einschätzung einmal weniger Wohlstand haben wird als ihre eigenen Eltern. Die jungen Leute fühlen sehr deutlich, dass sie trotz oberflächlich guter Chancen eine brüchige Berufskarriere haben werden. Höchstens die Hälfte von ihnen hat unbefristete Arbeitsverträge, im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung, so spüren sie, werden sie nicht mehr wie ihre Eltern kontinuierlich im Arbeitsprozess sein können. Das drückt für die meisten von ihnen das lebenslange Arbeitseinkommen deutlich ab. Ein aktuelles Indiz für die schlechtere wirtschaftliche Lage der jungen Generation ist es, dass nur wenige von ihnen noch Wohneigentum erwerben können. Im Blick auf die Altersversorgung sieht es ganz besonders düster aus. Die Mehrzahl der heute 20 bis 30-Jährigen geht davon aus, von der später zu erwartenden Rente nicht mehr angemessen leben zu können.

Alle diese Gründe erklären, warum die jungen Leute eine so enge Allianz mit ihren Eltern eingehen, obwohl diese doch einer ganz anderen Generation mit völlig anderen Lebenserfahrungen angehören. Wenig untersucht ist bisher, warum die Eltern hierbei mitspielen. Wahrscheinlich ist es nicht nur ihre fürsorgliche Ader, sondern auch Eigennutz. Man lernt von den jungen erwachsenen Kindern, welche modernen Trends in Technik und Mode gelten, man hat den digitalen Service der virtuosen „digital natives“ direkt im Haus, und man kann von seinen eigenen Kindern täglich anschaulich lernen, wie man in einer unsicheren Welt pragmatisch und optimistisch das Leben gestalten kann.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht ganz überraschend, dass die jungen Erwachsenen von heute sogar mit den Eltern zusammen in den Urlaub fahren. Viele Untersuchungen zeigen, dass junge Männer und junge Frauen auch noch im Alter von 20 und mehr Jahren zusammen mit Mama und Papa in die Ferien reisen. Das wäre früher völlig undenkbar gewesen. Wer die Pubertät überwunden hatte, der suchte so schnell wie möglich in den Ferien das Weite. Das ist heute ganz anders. Man versteht sich halt mit Mama und Papa, die man auch noch mit 30 so bezeichnet, und genießt es, sich nicht um alles kümmern zu müssen. Die Eltern scheinen aber auch einen Vorteil davon zu haben, denn sie erhalten so Anschluss an die moderne Welt, wissen wie man sich kleidet und haben die Englischübersetzer und Google-Mapper an Bord.

Alles in allem eine harmlose und unkomplizierte Entwicklung? Ein Vorteil auf Gegenseitigkeit? Eine pragmatische Reaktion auf die veränderten Lebensbedingungen heute? Mag sein. Aber es häufen sich auch die Hinweise, dass die jungen Leute so spät oder gar nicht mehr ganz richtig unabhängig und selbstständig werden. Wie sagte neulich eine Mutter in einem Interview: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was meine Tochter tun würde, wenn in ihrem Studentenwohnheim für zwei Tage der Strom ausfallen würde und ich nicht in der Nähe wäre“.

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