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Gefragt: Ein Gott, der sich nicht nur selbst gefällt

Foto: Pixabay.de, CC0

Danket dem Herrn aller Herren, denn seine Güte währt ewiglich.
Der allein große Wunder tut, denn seine Güte währet ewiglich.
(Psalm 136,3-4)

Flache Hierarchien sind heute gefragt. In modernen Unternehmen, in kleinen Startups.
Mitarbeitende wollen mitdenken, mitgestalten, Verantwortung übernehmen. Nicht nur Befehle empfangen oder Anweisungen ausführen. Und sich wundern, was „die da oben“ wieder entschieden haben. Viele empfinden es als Wertschätzung, wenn ihre Meinung gefragt ist, wenn ihre Chefin, ihr Chef die Erfahrungen, die sie gesammelt haben, berücksichtigen für die Ziele und Strategien der Firma oder Behörde.

Von einer flachen Hierarchie kann in Psalm 136 wohl kaum die Rede sein. Was Gott alles tut, welche Wunder und Taten er vollbracht hat – das wird hier gebetsmühlenartig wiederholt. 26 Mal. In kurzen Sätzen, die jede und jeder kapieren kann. Vielleicht sogar muss. Um dann immer gleich zu enden: Denn seine Güte währet ewiglich. Ein Lobgesang auf den einen großen Gott, den Herrn aller Herren. Der allein große Wunder tut. So schlicht, so klar in der Struktur, dass schon Vierjährige mitreden, mitsingen, mitbrüllen könnten. Eine singt vor, der Rest stimmt ein, 26 Mal dieselben fünf Worte: Denn seine Güte währet ewiglich.

Ich kenne solche Lieder aus dem Stadion. Jedes Mal, wenn ein Tor fällt, dann ruft der Stadionsprecher in das Mikro: „Tor von Marco…“ und 65.000 Fans antworten schreiend: „Reus!“ – Gänsehaut. Ja, das ist fantastisch, das putscht auf. Das reißt mit. Dieses Ritual wollen alle.

Ist Psalm 136 so gemeint? Der alleine große Wunder tut – denn seine Güte währet ewiglich.
Der die Himmel mit Weisheit gemacht hat – denn seine Güte währet ewiglich. Der brachte mächtige Könige um – denn seine Güte währet ewiglich. Ist Psalm 136 ein ansteckender Lobgesang oder – eine abschreckende Lobhudelei? Eine aus der Mode gekommene Huldigung, die keine Zweifel an der großen Autorität zulässt? Herr aller Herren – denn seine Güte währet ewiglich.

Ich gebe es zu: Ich tue mir schwer mit solch einem Lobgesang. Auch mit Luthers Übersetzung: „Herr aller Herren“. Das ist nicht meine Sprache für Gott, für diese Kraft, die mich umgibt. Deren Güte ich tatsächlich spüre. Oft täglich, oft körperlich. Mal über mir, mal in mir, mal neben mir. Die mich mit Dank erfüllt. Mit Liebe. Aber eben auch mit Fragen.

Denn ich hab doch Augen, ich seh doch diese Welt. Ich kenn auch mich selbst, meine Abgründe und Eitelkeiten. Wo bleiben sie denn, die Wunder Gottes, im Mittelmeer oder beim Insektensterben? Wo ist denn seine rettende Hand? Und gäbe es da nicht auch heute Despoten und autoritäre Herrscher, die von unserem Gott besser heute als morgen in die Knie gezwungen werden könnten?

„Gott braucht uns. Gott braucht Freunde und Freundinnen.“ – Diesen Satz der Theologin Dorothee Sölle habe ich nie vergessen. Gott und der Mensch. Gut vernetzt. Ich brauche Gott. Diese Kraft, die nährt und stärkt, diese umfassende Güte, die uns beschenkt mit Wundern, manchmal ganz alltäglich, manchmal kaum fassbar. Gott braucht uns. Unsere offenen Herzen, unseren Dank, unseren Mut, unsere rettenden Taten.

Gott und der Mensch: Eine flache Hierarchie. Geben und Nehmen. Echte Liebe. So geschehen Wunder.

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