Die Neuentdeckung des Waldes Der Wald als Heil- und Sehnsuchtsort

Als touristische Ziele üben Kraftorte eine starke Anziehungskraft aus, sei es im Schwarzwald oder im österreichischen Mühlviertel. An die Gegenpole zu den Zentren der beschleunigten Welt knüpfen sich viele unterschiedliche Erwartungen.

Nicht nur in den sogenannten Naturreligionen, sondern auch in den Weltreligionen haben Bäume und Wälder eine wichtige religiöse Bedeutung und Ausstrahlung. Ob die Welt-Esche Yggdrasil in der nordischen Mythologie, der Bodhi-Baum im Buddhismus oder der Baum der Erkenntnis im Christentum – die Aufzählung der religiösen Wald-Bezüge lässt sich fortführen. Nicht zufällig hatte deshalb das Evangelische Bildungswerk in Stuttgart den Wald zum Thema einer Veranstaltungsreihe gemacht. In deren Rahmen war der Hospitalhof auch Gastgeber des 7. baden-württembergischen Waldgipfels, zu der die Arbeitsgemeinschaft Wald nicht nur Profis der Waldbewirtschaftung, sondern auch Tourismusexperten, Psychologen und Kulturschaffende eingeladen hatte.

Geheimnisvolle Wildnis und inszenierte Erlebniswelt

Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Wald reloaded – die Neuentdeckung des Waldes“. Für den Journalisten und Schriftsteller Arno Frank ist der Wald zum Inbegriff der Heimat geworden. „Wald ist wieder en vogue, das zeigt schon ein Blick auf die Büchertische“, meinte Frank. „Man beginnt, sich den Wald wieder als beseelt vorzustellen. Er ist zum Sehnsuchtsort geworden“, erläuterte der Autor.

Und er zeigte auf, dass dies nicht ohne Widersprüche ist: „Die Menschen wollen den Wald als Wildnis wahrnehmen – wild, tief und geheimnisvoll –, obwohl er bewirtschafteter Raum ist“. Er wird zur Flucht vor der versiegelten Welt genauso wie zum Raum zur Selbstoptimierung mit teuersten technischen Geräten, zum Ort der Entschleunigung und für Meditationskurse, in denen man Achtsamkeit lernen kann. Dies alles spiele den Touristikern in die Hände, befand Frank.

Der Psychologe Ahmed A. Karim ist von den therapeutischen Wirkungen des Waldes überzeugt. Der Professor an der Uniklinik Tübingen arbeitet auf diesem Feld unter anderem mit dem Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) zusammen. Die Tourismusbranche versucht im Zeitalter virtueller Erlebniswelten, den Wald zu inszenieren. Sascha Hotz vom Schwarzwaldtourismus machte deutlich, dass der Wald als Erholungsort immer auch gestaltet werden müsse.

„Kraftorte“ im Schwarzwald

Der Wald wird zur Erlebniswelt. Dazu gehören Kraftorte, die als Ausdruck von Spiritualität eine starke Anziehungskraft ausüben. Damit wirbt auch der Schwarzwaldtourismus. 29 solcher besonderen und sagenumwobenen Orte hat die Autorin Birgit-Cathrin Duval erwandert: „Zwischen der Hermann-Hesse-Stadt Calw im Osten und Gengenbach im Westen gibt es allerlei zu entdecken: stille Karseen, malerische Burg- und Klosterruinen, fantastische Ausblicke und vergessene Pfade. In kleinen und kurzweiligen Kapiteln mit schönen Fotostrecken regt Duval zum Aufbruch an jene Orte an, die den Schwarzwald so erfrischend und echt machen – aber entschleunigt, empfindsam, genießerisch, denn die Natur kennt keine Hektik“, heißt es auf der Homepage des Tourismusverbands.

Legendäres aus dem österreichischen Mühlviertel

Auch das österreichische Mühlviertel ist voll von solchen Kraftorten. So empfehlen die Hotels im Tourismusverband Traumarena ihren Gästen einen Besuch der Waldkapelle Maria Rast. Ihren Namen hat sie aufgrund einer frommen Legende um einen Stein mit drei schalenförmigen Vertiefungen im Kapellenanbau. Auf der Flucht nach Ägypten soll die Heilige Familie nach langem Weg durch unwirtliche Gegend auf dem Stein gerastet haben. Aus Mitleid sei der Stein weich geworden und dadurch seien Abdrucke der Körper im harten Fels entstanden.

Waldkapelle Maria Rast (Foto: Rainer Lang)

Die Wallfahrtskapelle liegt am Kreuzungspunkt mehrerer Wanderwege. Hier soll schon in vorchristlicher Zeit ein Kultplatz gewesen sein. Von hier aus führt ein gut ausgeschilderter Weg zu einer rund 300 Meter entfernt im Wald gelegenen Quelle. Viele Leute kommen regelmäßig, um das Quellwasser in Gefäße zu füllen und mit nach Hause zu nehmen. Es gilt seit Jahrhunderten als „heiliges Wasser“, das heilsam und gesundheitserhaltend wirkt. Es ranken sich einige Legenden um die Quelle. Eine beschreibt die Heilung einer armen Frau, die sich auf Anraten eines Bauern in das Quellwasser setzte; auch sie wurde gesund. Ein Holzhäuschen wurde über der Quelle errichtet. Die Verehrung des heiligen Wassers ist in der Umgebung lebendig geblieben und erinnert Besucher an die Volksgläubigkeit, die in den Votivbildern zum Ausdruck kommt.

Orte der Entschleunigung

Dass eine zunehmende Überforderung der Menschen in der beschleunigten, globalen Welt solche Orte wieder attraktiv werden lassen, ist für den Alexander Doderer nur allzu verständlich. Auch der Geschäftsführer der Werbeagentur „Gruppe drei“ beschreibt den Wald als Heil- und Sehnsuchtsort. Dies passt für ihn in die gesellschaftlichen Strömungen des medialen Zeitalters.

www.schwarzwald-tourismus.info
www.traumarena.at

Zum Weiterlesen

Schreiben Sie einen Kommentar