Editorial: Karl Barth Ausgabe 3/2014

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den Sommer 2014 fallen zwei Gedenktage, die uns die Schrecknisse zweier Weltkriege in Erinnerung rufen: 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs (1. August) und 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten (1. September). Wenn wir mit diesem Heft an den Theologen Karl Barth (1886–1968) erinnern, dann sind diese beiden Weltkriege zugleich die Folie, auf der sein Leben und Schaffen zwangsläufig zu betrachten ist. Beide Kriege haben Barth entscheidend geprägt: Der erste als das katastrophale Scheitern einer besinnungslos selbstbezogenen Politik und illusionären Kultur; der zweite als die Herausforderung zum kompromisslosen Bekenntnis und zum Widerstand gegen die kriegstreibende Macht der Nationalsozialisten.

Das vor Ihnen liegende Heft bietet deshalb nicht nur einen Überblick über Leben und Werk des wohl bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts (Beitrag von H.-H. Schneider) – für das zwei nicht zu vergessende Frauen eine besonders wichtige Rolle spielen (Beitrag von R.-J. Erler) – sowie über die Kernpunkte seiner theologischen „Neujustierung“ (Beitrag von M. Weinrich). Mit einer Analyse von katholischen Kriegspredigten von H. Missalla und einem Rückblick auf die Barmer Theologische Erklärung von M. Hailer werden exemplarisch auch zwei Zusatzperspektiven eröffnet, die der geschichtlichen Einordnung des Werks von Karl Barth dienen sollen. H.-J. Luhmann schließlich wendet den Blick von den Krisen der Geschichte auf den europäischen Krieg unserer Tage, der in der Ukraine geführt wird und der auch Karl Barth sicher nicht unberührt gelassen hätte.

Selbstverständlich ist es unmöglich, das Leben eines Theologen von solchem Rang und ein Werk von solchem Umfang wie bei Karl Barth in einem einzigen Zeitschriftenheft angemessen zu würdigen. Doch was dieses Heft leisten will, ist, an das Werk und die Person eines Theologen von besonderem Format zu erinnern, dessen Stimme auch und gerade in unserer Zeit Gehör verdient, z.B. wenn es darum geht, Gott und seine Offenbarung gegen voreilige Vereinnahmungen und eifrige Indienstnahme in Schutz zu nehmen. Möglicherweise ist es auch heute Zeit für eine Theologie, die neu in Distanz zu gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten und zur kirchlichen Selbstbezogenheit tritt.

Freundlich grüßt Sie
Eberhard Cherdron

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