Religionsfreiheit Ein umkämpftes Menschenrecht

Verstöße gegen die Religionsfreiheit sind in vielen Staaten der Erde an der Tagesordnung. Religiöse Minderheiten werden unterdrückt und die Konversion zu einer anderen Religion mit schwersten Strafen belegt. Nicht immer hat dies nur religiöse Gründe.

Obwohl die Religionsfreiheit in internationalen Menschenrechtskonventionen, beispielsweise im Pakt für bürgerliche und politische Rechte von 1966, völkerrechtlich verbürgt ist und sich die ganz überwiegende Mehrheit Staaten formell zu ihr bekennt, bleibt sie ein gefährdetes und vielfach verletztes Menschenrecht. Die Verletzungsphänomene reichen von gesellschaftlicher Diskriminierung religiöser Minderheiten über rigide staatliche Kontrollmaßnahmen bis hin zu genozidaler Verfolgung ganzer Religionsgruppen. Vielfältig sind auch die Ursachen für Verletzungen. Zu den Gründen zählen religiöser Autoritarismus innerhalb der Religionsgemeinschaften selbst, staatliche Ordnungs- und Kontrollinteressen gegenüber unabhängigen Religionsgruppen, die identitätspolitische Inanspruchnahme eines (angeblichen oder tatsächlichen) nationalen religiösen Erbes, populistische Ausbeutung von Ressentiments gegen Minderheiten oder ein aus dem Ruder laufender Kampf gegen religiösen Extremismus.

Repressionen in islamischen Staaten

Auch nachdem der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in einem „General Comment“ aus dem Jahr 1993 eindeutig erklärt hat, dass der Religionswechsel einen wesentlichen Bestandteil der Religionsfreiheit bildet, stößt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religionsgemeinschaft in einer Reihe islamisch geprägter Staaten nach wie vor auf prinzipielle Ablehnung. Besonders schwierig ist die Lage in extrem konservativen islamischen Staaten wie Saudi-Arabien, Sudan oder Iran, in denen der „Abfall“ vom Islam auch heute noch als Kapitaldelikt geahndet werden kann. In Pakistan gilt die Beleidigung eines Propheten als gravierendes Strafdelikt. Nichtislamische Religionsgemeinschaften, die missionarischer Aktivitäten unter Muslimen verdächtigt werden, müssen in solchen Staaten mit massiven Repression rechnen.

Dramatisch ist die Situation der Baha’i, einer im 19. Jahrhundert in Iran entstandenen postislamischen Religionsgemeinschaft, die dort offiziell als „Abtrünnige“ behandelt wird; erst kürzlich sind führende Baha’i in Iran zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden. – Die Anerkennung der vollen Religionsfreiheit, einschließlich des Rechts auf Konversion vom Islam zu einer anderen Religion, gehört bis heute zu den schwierigen Themen der Reformdebatte innerhalb des Islams.

Diskriminierung religiöser Minderheiten in der Türkei

Die Türkei versteht sich bekanntlich gerade nicht als islamischer Staat, sondern bekennt sich in ihrer Verfassung zum Prinzip des Laizismus. Aus ordnungspolitischen Gründen, die sich mit identitätspolitischen nationalen Interessen verbinden, unterwirft der türkische Staat indessen die Religionsgemeinschaften einer tiefgreifenden staatlichen Kontrolle. Nachdem das Präsidium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in der kulturkämpferischen Frühphase des Kemalismus für die Purifizierung des öffentlichen Lebens von Manifestationen religiösen Glaubens zuständig war, fördert sie seit den 1980er Jahren eine Art sunnitisch-islamische Leitkultur – auf Kosten religiöser Minderheiten, z.B. der Aleviten, Yesiden und christlicher Gruppierungen. Die nicht zuletzt durch die EU-Beitrittsperspektive motivierten Reformen kommen nur zögerlich voran.

Religionsübergreifende Widerstände gegen die Religionsfreiheit

Teilweise sehr engherzige Auffassungen zur Religionsfreiheit existieren bis heute im Einflussbereich der christlichen Orthodoxie, in dem Missionstätigkeit teils massiven staatlichen Einschränkungen unterworfen wird. Dies gilt namentlich etwa für die Russische Orthodoxie, die derzeit in Russland aus nationalpolitischen Gründen von Staats wegen stark gestützt wird. Aber auch Griechenland, das in seiner Verfassung die Griechische Orthodoxie als Volkskirche privilegiert, hält bis heute am Verbot des Proselytismus fest.

Es wäre falsch zu glauben, dass Vorbehalte und Widerstände gegen die Religionsfreiheit nur im Kontext der monotheistischen Offenbarungsreligionen existieren, wie dies gelegentlich unter Verweis auf den prägnanten Wahrheitsanspruch religiöser Offenbarungsschriften behauptet wird. Auch manche Anhänger von Hinduismus oder Buddhismus fürchten in dem durch die Religionsfreiheit ermöglichten religiösen Pluralismus eine Infragestellung ihrer eigenen Traditionen und eine Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens. Aggressive Beispiele für eine identitätspolitische Inanspruchnahme von Hinduismus oder Buddhismus gibt es in Indien bzw. Sri Lanka. Im Bürgerkrieg in Sri Lanka haben singalesische Mönche mit Hetzkampagnen gegen Tamilen eine verheerende Rolle gespielt.

Weit verbreitete Gängelung und Kontrolle von Religionsgemeinschaften

Aus kontrollpolitischem Interesse werden in der Volksrepublik China religiöse Gruppen, die sich dem staatlichen Zugriff entziehen, unter Druck gesetzt und verfolgt. Dies betrifft nicht nur die Bevölkerungen in Tibet und Xinkiang, sondern auch christliche Gemeinschaften und insbesondere die Bewegung der Falun Gong, deren Mitglieder oft zu Gefängnisstrafen und Arbeitslager verurteilt werden. Generell weit verbreitet ist in Staaten unterschiedlichster ideologischer Observanz die Praxis, Religionsgemeinschaften mit Registrierungs- und Berichtspflichten zu gängeln, die dazu dienen sollen, das religiöse Leben genauestens zu kontrollieren. Fehlende Angaben bieten dann jederzeit Anlässe, Bußgelder zu verhängen, Eigentum zu beschlagnahmen oder religiöse Gebäude zu schließen. Entsprechende bürokratische Restriktionen finden sich z.B. in Kuba und Vietnam genauso wie in Eritrea oder Weißrussland. Dahinter zeigt sich die Angst autoritärer Staaten vor volksnahen religiösen Bewegungen, die sich ihrem Zugriff entziehen.

Verletzungen der Religionsfreiheit auch in Europa

In Europa ist es um die Gewährleistung der Religionsfreiheit insgesamt vergleichsweise gut bestellt. Das heißt indessen nicht, dass es keinerlei Probleme gäbe. So ist Griechenland aufgrund seines Vorgehens gegen Zeugen Jehovas vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach wegen Verletzung der Religionsfreiheit verurteilt worden. Für Kontroversen sorgen rigide Regelungen für den Umgang mit religiösen Symbolen im öffentlichen Leben, insbesondere im laizistischen Frankreich. Wiederholt sind muslimische Schülerinnen, die darauf bestanden, das Kopftuch zu tragen, in Frankreich mit temporärem Schulausschluss belegt worden. Darüber hinaus gibt es verbreitete Ressentiments gegen religiöse Minderheiten, die teils auch politisch ausgebeutet werden. Ein Menetekel ist das Minarett-Referendum in der Schweiz. Wie ähnliche Initiativen in Deutschland ausgehen würden, wenn sie denn möglich werden, kann niemand sicher vorhersehen.

Menschen haben Rechte, nicht Religionen an sich

Abgesehen von akuten Menschenrechtsverletzungen, die nach wie vor vielerorts stattfinden, wird der Anspruch der Religionsfreiheit auch durch gezielte kategoriale Verschiebungen ihres Gehalts gefährdet. Besonders deutlich ist dies bei Resolutionen zur Bekämpfung von „Religionsdiffamierung“ („combating defamation of religions“), die seit einigen Jahren von der Organisation der Islamischen Konferenz in den Gremien der Vereinten Nationen vorgebracht werden. Dabei fungieren nicht die Menschen – d.h. Individuen und Gemeinschaften – als Subjekte von Rechtsansprüchen, sondern die Religionen selbst werden unter eine Art „Ehrschutz“ gestellt. Die menschenrechtliche Systematik wird auf diese Weise völlig verlassen.

Kurz: Die Religionsfreiheit ist Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen geworden, bei denen es sowohl um die praktische Umsetzung als auch um Grundsatzfragen geht. Dafür politische Aufmerksamkeit zu investieren, lohnt sich. Denn als Menschenrecht zielt die Religionsfreiheit zuletzt auf die wirksame Anerkennung von Würde, Freiheit und Gleichheit aller Menschen.

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