Seit der Übernahme des Mikroblogging-Dienstes Twitter durch Elon Musk im Oktober 2022 haben sich wichtige Rahmenbedingungen dort stark verschlechtert. Aus folgenden Gründen haben wir in der „aspekte“-Redaktion jetzt entschieden, auf dieser Plattform nicht weiter aktiv zu sein.
Zunächst war in unseren Reihen vor allem Unbehagen: das Twitter-Netzwerk in den Händen eines einzelnen, der dazu auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt war – konnte das gut gehen? Wir beschlossen nach der Übernahme, zunächst abzuwarten und uns die Entwicklung anzusehen. Parallel bauten wir uns einen Account auf Mastodon auf, einem dezentralen Mikroblogging-Dienst, der großen Wert auf Datenschutz legt.
Was wir beobachten konnten, war, dass Hass-Rede (Hate Speech) und Falschnachrichten auf X zunahmen. Twitter wurde schon vor der Übernahme durch Elon Musk dafür kritisiert, zu wenig gegen Antisemitismus, Rassismus, Mobbing und Hetze zu tun. Problematische Inhalte wurden nur selten gelöscht. Elon Musk lockerte dann die Regeln gegen Desinformation und Hetze auf der Plattform sogar noch. Die zwei folgenden Beispiele sollen das veranschaulichen:
Unterstützung von Antisemitismus
In einem Post (der nicht von Elon Musk selbst kam) hieß es unter anderem „jüdische Gemeinschaften“ schürten „Hass gegen Weiße“. Dahinter steht die rechtsextreme Verschwörungserzählung, die Juden verfolgten heimlich den Plan, die weiße Mehrheit zu schwächen, indem illegale Migranten in westliche Länder gebracht werden sollen.
„Du hast die Wahrheit gesagt,“ antwortete Musk. Mit seinen aktuell 174 Millionen Followern verschafft Musk mit so einer Antwort dem Post eine große Reichweite. Solche Stimmen dürfen nicht toleriert werden! Wir wollen gegen den weltweit erstarkenden Antisemitismus eintreten und nicht noch Reichweite generieren für ein Netzwerk, indem solche Inhalte promotet werden.
Politische Einflussnahme zugunsten der AfD
Musk teilte auf X einen Videoclip eines Nutzers mit dem Namen „Radio Genoa“. In dem Tweet vom 29. September 2023 behauptete letzterer, derzeit seien acht Schiffe deutscher Nichtregierungsorganisationen (die von der Bundesregierung subventioniert würden) im Mittelmeer unterwegs. Ziel sei es, „illegale Einwanderer einzusammeln und in Italien abzusetzen“. Der Tweet endete mit einer Wahlwerbung für die AfD: „Hoffen wir, dass die AfD die Wahlen gewinnt, um diesen europäischen Selbstmord zu stoppen.“ Das war eine Woche vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen.
Musk fragt in Bezug auf die Schiffe deutscher NGOs: “Ist die deutsche Öffentlichkeit sich dessen bewusst?“ Das Auswärtige Amt reagierte direkt: „Ja. Und man nennt es Leben retten.“ Auch aus unserer Sicht ist es ein Gebot der Nächstenliebe, dass Menschen in Seenot gerettet werden, wie es u.a. das kirchlich unterstützte Bündnis für Seenotrettung United4Rescue macht. Auf einer Plattform, dessen Inhaber Wahlwerbung für die AfD unterstützt, fühlen wir uns hingegen nicht mehr zuhause.
Aufruf an unsere Follower
Wir wissen, dass unsere Reichweite im Vergleich mit der großer Medien klein ist. Möglicherweise ist unser Akt des Rückzugs also eher symbolisch. Dennoch: auch das bisschen Reichweite, das wir haben, soll nicht dazu verwendet werden, solches Gedankengut zu tolerieren oder zu akzeptieren. Es schmerzt uns, unsere Follower zu verlieren, aber wir sind voller Hoffnung, dass wir uns wiederfinden: auf Mastodon, auf bluesky oder auf Instagram.