Geschlechterbewusste Theologie Neuer Fernstudienkurs ab 2021

2021 startet ein neuer Fernstudienkurs „Theologie geschlechterbewusst kontextuell neu denken“. Studienleiterin Prof. Dr. Ulrike E. Auga und Carola Ritter, Leitende Pfarrerin der EFiM, berichten im Gespräch mit Dorit Lütgenau über Inhalte und Perspektiven.

Frau Auga, was verstehen Sie unter geschlechterbewusster Theologie?

Prof. Dr. Ulrike Auga, Studienleiterin

Ulrike Auga: Unter geschlechterbewusster Theologie verstehe ich eine theologische Auseinandersetzung mit kultur- und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über das Geschlecht. Geschlechterbewusste Theologie vermittelt nicht nur in einem Dialog zwischen Frauen und Männern, sondern thematisiert Geschlecht in seiner ganzen Bandbreite. Es geht dabei nicht nur um Genderrollen, die oft binär männlich und weiblich gedacht bleiben und stereotype Vorurteile wiederholen. Die Biologie und Kulturtheorie gehen heute von einer Vielzahl und Fluidität von Geschlecht aus. Es gibt kein biologisch vorgeordnetes Geschlecht, sondern dieses ist immer auch kulturell geschaffen. Das Geschlecht in der Theologie kann nicht mehr ohne den kritischen Blick auf die Zweigeschlechtlichkeit und die Sexualität thematisiert werden. Auch mit Blick auf die Bibel ergibt sich ein differenziertes Bild, was die Texte über Geschlecht aussagen. Bei genauer Lektüre und wenn man andere Quellen aus der Zeit der Bibelentstehung einbezieht, wird deutlich, dass die Geschlechtermodelle der Bibel durchaus fluid sind.

Was motiviert Sie persönlich, geschlechterbewusste Theologie im 21. Jahrhundert voranzutreiben?

Ulrike Auga: Die rechtsradikale AfD behauptet, es gäbe biologisch nur eine Binarität von Geschlecht und die Geschlechterforschung würde die vermeintlich natürliche und Gott gewollte heterosexuelle Ordnung stören. Der rechte Angriff auf die geschlechtliche Emanzipation ist sowohl ein Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre als auf Selbstbestimmung, sexuelle Freiheit und reproduktive Rechte aller Menschen. Es ist ein erschütternder Vorgang, dass die Rechte sich (auch) auf vermeintliche Aussagen der biblischen Schriften beziehen. Es ist eine große Freude für mich, Menschen – gleich welcher Hintergründe – Handwerkzeug zu vermitteln, das ihnen ein Verständnis darüber ermöglicht, wie theologisches und gesellschaftliches Wissen hergestellt wird und unsere Gesellschaft bestimmt. Es geht mir darum, neue Allianzen zu ermöglichen – zwischen Aktivismus und Theorie, zwischen Bewegungswissen und universitärem Wissen, zwischen glaubensbasierten und nicht glaubensbasierten Menschen – zwischen allen, die symbolische und ökonomische Gewalt nachhaltig abbauen möchten.

Frau Ritter, Sie haben in den letzten Jahren bereits einige Fernstudienkurse „Theologie geschlechterbewusst“ begleitet. Wie gestaltet sich das gemeinsame Lernen in einer Fernstudiengruppe und welche Zugänge werden gewählt?

Carola Ritter, Leitende Pfarrerin der Evang. Frauen in Mitteldeutschland

Carola Ritter: Der Studiengang basiert auf zwei wesentlichen, sich wechselseitig ergänzenden Lernformen: Die Teilnahme an den Präsenzwochenenden der Studiengruppe und das individuelle oder in Tutoriengruppen organisierte Selbststudium.

Die Grundlagen für das Selbststudium bilden sieben Studienbriefe, die von den Evangelischen Frauen in Deutschland, dem Studienzentrum der EKD für Genderfragen und der Evangelischen Arbeitsstelle für Fernstudium, auch als E-Book herausgegeben werden. Neben einführenden und interpretierenden Texten enthalten alle Studienbriefe zahlreiche Originaltexte. Eingefügt sind Bearbeitungsaufgaben, die die Studierenden darin unterstützen sollen, das Gelesene zu verstehen, einzuordnen und weiterzudenken. Die jeweiligen Themen werden unter aktuellen und erfahrungsnahen Fragestellungen so präsentiert, dass sie zunächst im Eigenstudium zu Hause bearbeitet, in regionalen Tutoriumsgruppen diskutiert und abschließend im Direktkurs vertieft und perspektivisch erweitert werden können.

Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem Fernstudium ansprechen?

Ulrike Auga: Dieser Lehrgang möchte auf zugängliche Weise in neue Ansätze der internationalen theologischen Geschlechterforschung und Queeren Theorie einführen und Werkzeuge für das eigene Leben und Arbeiten, die eigene Spiritualität und das Theologisieren bereitstellen. Ziel ist es, auf der Basis der eigenen Erfahrungen angereichert mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen befähigt zu werden, theologische Perspektiven entwickeln zu können. Das Fernstudium möchte ausdrücklich alle Interessierten einladen. Alle Menschen können zu einer gerechteren, solidarischen Gesellschaft etwas beitragen. Veränderung der Geschlechterordnung in Theologie, Kirche und Gesellschaft können nur wirksam werden, wenn Menschen aus allen Lebensspektren dazu beitragen. Der Kurs ist sowohl für Anfänger*innen als auch Fortgeschrittene in dem Wissensfeld der geschlechterbewussten Theologien geeignet. Die Dozierenden passen den Inhalt an die jeweiligen Interessen, Vorkenntnisse und Erfordernisse der Gruppe an. Der Fernstudienkurs wurde in der Evangelischen Kirche konzipiert, ist aber offen für andere Denominationen und säkulare Hintergründe.


Der neue Fernstudienkurs „Theologie geschlechterbewusst kontextuell neu denken“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Frauenarbeit im Amt für kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland (EFiM), dem Frauenwerk der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Er startet vom 22.–24. Januar 2021 in Wittenberg mit dem ersten Modul inklusive öffentlichem Vortrag. Sechs weitere Fernstudienwochenenden folgen an verschiedenen Orten (Berlin, Leipzig, Brandenburg an der Havel, Magdeburg, Erfurt) zu den Studieneinheiten Spiritualität, Bibel, Ethik, Kirche, Christus Jesus, Gott*. Weitere Informationen unter akd-ekbo.de/frauenarbeit/fernstudium.

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