Konstanz zu Zeiten des Konzils Kirchenpolitik und Alltagsleben vor 600 Jahren

2016/2017 ist nicht nur das Reformationsjubiläum. Mit dem Konstanzer Konzil jährt sich noch ein anderes Kirchenereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung: Vor 600 Jahren überwand die katholische Kirche mit dem Konstanzer Konzil die mittelalterliche Spaltung.

Schon 100 Jahre bevor Martin Luther mit seinen 95 Thesen die Reformation einleitete, wurde in Konstanz über einen seiner Vorläufer Gericht gehalten. Das war der böhmische Reformator Jan Hus, der gegen die verweltlichte Kirche und für die Bibel als Autorität in Glaubensfragen kämpfte. Er wurde zum Feuertod verurteilt und während des Konzils lebendig verbrannt. Ein Gedenkstein erinnert heute an sein tragisches Ende.

Zur Erinnerung an das Großereignis trägt das wuchtige Gebäude am Hafen den Namen „Konzil“. Das ehemalige Warenlager wurde schon vor 50 Jahren zu einem Tagungs- und Festgebäude umgebaut. Bei der Renovierung wurde streng darauf geachtet, die historische Bausubstanz der großen Markthalle zu erhalten.

Schließlich wurden in das von 1388 bis 1391 erbaute „Kaufhaus“ im oberen Saal 56 Wahl-Zellen eingebaut, die Fenster zugemauert und nur Kerzenlicht erlaubt. Nach den Vorberatungen in Kloster- und Kirchenräumen wurde am 11. November 1417 endlich Kardinal Otto von Colonna als Papst Martin V. gewählt. Damit wurde das kirchliche Schisma beendet. Es gab nämlich drei Päpste, die miteinander konkurrierten. Mit der Einberufung des Konzils wollte König Sigismund dies beenden.

Wo einst das Konklave abgehalten worden war, können Besucher heute unter anderem auch ein mittelalterliches Menü genießen. So ähnlich könnten die Kirchenvertreter gespeist haben. Dass die Nachwelt über solche Details informiert ist, ist dem Umstand zu verdanken, dass der fleißige Chronist Ulrich von Richental in einer Chronik auch das Alltagsleben während des Konzils bis ins Detail festhielt.

Elf Handschriften sind noch erhalten. Die originale Ausgabe der Richentalchronik aus dem 15. Jahrhundert liegt im Rosgartenmuseum. Dort können Besucher im Faksimile-Druck blättern. Für Kunsthistorikerin Ines Stadie ist das Buch mit seinen Abbildungen eine Art „mittelalterlicher Comic“. Henry Gerlach, Experte in Sachen Chronik, weist darauf hin, dass es beim Verzeichnis der Gäste auch „Fantasiewappen“ gebe: „Der Kaiser der Mongolen war sicher nicht da“.

Aber insgesamt bezeichnet er die Angaben von Richental als zuverlässig. Um die Versorgung der Gäste aus aller Welt zu sichern, mussten die Konstanzer neben den nötigen Herbergen noch einiges mehr aufbieten. Es wurden rund 70 Geldwechsler, 230 Bäcker, 70 Wirte, 225 Schneider und 310 Barbiere zusätzlich nach Konstanz geholt. Und das allzu Menschliche fehlte auch nicht. Rund 700 Dirnen zählte Richental.

Deshalb war das Thema des dritten Konzilsjahrs 2016 auch „Liebe, Lust und Spektakulum“. Wie es sich damit früher verhielt, darüber weiß die Historikerin und Stadtführerin Gudrun Schenkenburger zu berichten. Die Besucher führt sie zum Ziegelgraben, „wo man die Liebe kaufen konnte“. In dem Viertel, das man heute als sozialen Brennpunkt bezeichnen würde, lag auch das Frauenhaus.

Die Frauenhäuser trugen damals jedoch durchaus zum Prestige der Stadt bei und waren zum Teil sogar im Besitz der Kirche, wie Schenkenburger erzählt. Bis zur Reformation sei es üblich gewesen, dass auch Geistliche Beziehungen zu Frauen hatten, erklärt die Historikerin. Nach ihren Angaben kostete eine Dienstleistung zwei bis fünf Pfennig.

Die Bewohnerinnen der Frauenhäuser waren im Gegensatz zu armen allein lebenden Frauen zumindest versorgt gewesen. Oft wurden die als „Hübschlerinnen“ Bezeichneten von den Familien ins Frauenhaus verkauft. Aber damals war es durchaus möglich, dass die Frauen noch heirateten. Das änderte sich Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Wandel der Moralvorstellungen.

An die ausschweifende Konzilszeit erinnert die Imperia. Die Statue des Künstlers Peter Lenk im Konstanzer Hafen hat bei ihrer Aufstellung 1993 für einen Skandal gesorgt, ist aber längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Sie stellt eine Kurtisane dar, die auf ihren ausgestreckten Händen zwei nackte Männlein zeigt mit Krone und päpstlicher Tiara auf dem Kopf.

Für 2017 ist Martin V. Leitfigur in Konstanz. Er wurde 1417 zum neuen Papst gewählt. Er steht für das „Jahr der Religionen“ 2017, in dem sich auch die Reformation zum 500. Mal jährt. Für die Verantwortlichen in Konstanz ist dies Anlass, den interreligiösen Dialog innerhalb Europas zu suchen und in der Bodenseeregion zu intensivieren. Zugleich laden die Konstanzer Bürger zu einem großen Fest ein und erinnern an die Rechte, die der Stadt anlässlich des Konzils verliehen wurden.

Die Veranstaltungen rund um das Konzilsjubiläum ziehen sich durch das ganze Jahr. Informationen darüber und über das, was Konstanz noch alles zu bieten hat, findet sich unter www.konstanzer-konzil.de sowie www.konstanz-tourismus.de.

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