Erstmals ziehen alle an einem Strang Klimaabkommen von Paris wird von allen Seiten gelobt – auf die Umsetzung kommt es an

Darf man sich angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und des Leids der ärmsten und verletzlichsten Menschen eigentlich freuen, wenn ein Klimaabkommen zustande kommt, das sicherlich nicht die Welt retten wird? Ja, man darf!

Laurent Fabius, der Präsident der UN-Klimakonferenz, kurz COP genannt, in Paris im Dezember 2015 haut den Hammer mit zitternder Hand und verkündet, dass der Vertrag angenommen wird. Die Gemeinde der Nichtregierungsorganisationen (NGO) kreischte laut auf wie bei einem Tor während der Fußball-Weltmeisterschaft. Das Ergebnis von Paris erntete allenthalben Lob. Was war da Ungewöhnliches passiert?

Die Menschen fielen sich in die Arme aus Erschöpfung und vor allem auch aus Erleichterung darüber, dass Paris einige gute Dinge auf den Weg gebracht hat. Journalisten fragten die Vertreter der NGO ratlos, warum sie zum ersten Mal nach den zähen Verhandlungen in den vergangenen Jahren nun zufrieden waren. Blickt man auf das Gesamtergebnis, dann kann man das sicherlich nicht sein, denn es ist auch sehr viel nicht erreicht worden. Der Vertrag gibt dennoch ein starkes Signal, und zwar dass die fossilen Energien ein Auslaufmodell sein werden.

Die Emissionslücke wird dennoch bleiben. Im Abkommen selbst wurde vereinbart, dass die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius bis sogar unter 1,5 Grad begrenzt werden soll, auch wenn es aufgrund der mangelnden rechtlichen Pflichten schwierig sein wird, diese Ziele zu erreichen. Zu stark war der Widerstand der Schwellen- und Ölstaaten, sich verbindlich auf Klimaschutzmaßnahmen einzulassen.

195 Staaten gemeinsam gegen den Klimawandel

Wenn man alles zusammen nimmt, ergibt sich also durchaus eine positive Bilanz. So lässt sich festhalten: Um 19.28 Uhr am 13. Dezember 2015 wurde in Paris das erste globale Klimaabkommen vereinbart, bei dem sich alle Staaten auf ein Klimaziel verständigten. In Zeiten von Krieg und Terrorismus grenzt es an ein Wunder, dass 195 Staaten sich einer Herausforderung gemeinsam stellen möchten – den Klimawandel gemeinsam zu bekämpfen.

Die Staaten setzen sich das Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter „weit unter“ zwei Grad Celsius zu beschränken. Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Die Nennung des 1,5-Grad-Ziels war eine Forderung besonders bedrohter Länder wie der Inselstaaten. Beim Pariser Gipfel hatten sich zahlreiche weitere Staaten, darunter Industrienationen wie Deutschland, ebenfalls für die Erwähnung dieser Obergrenze eingesetzt.

Versprechen müssen national eingelöst werden

Paris alleine wird allerdings nicht die Welt retten, denn die Verpflichtungen sind zu unverbindlich formuliert und man setzt stark auf die Nachverhandlung in fünfjährigen Zyklen. Es liegt nun an den Staaten selbst, ob sie die in Paris gemachten Versprechen auch tatsächlich auf nationaler Ebene implementieren – nur so kann Paris seine Wirkungskraft entfalten. Dennoch hat Paris ein klares Signal für eine globale Energiewende gesendet und das Ende fossiler Energien.

Es wurde ein internationaler Prozess eingeleitet, der vorgibt, wie man doch noch auf den rechten Pfad kommen kann. Auch wurde ein umfassendes Finanzpaket sowie ein Solidaritätspaket verabschiedet, das die Bedürfnisse der Ärmsten in den Blick nimmt. Nun muss auch dafür gesorgt werden, dass es nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern auch eine ehrgeizige Implementierung erfolgt. Für Deutschland muss das den Ausstieg aus der Kohleenergie bedeuten.

Unterstützung für die Opfer von Klimaschäden

Das wohl beste Ergebnis liefert der Maßnahmenkatalog zu Loss and Damage (Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten), wofür sich auch „Brot für die Welt“ und viele Partner besonders eingesetzt haben. Das Paris-Paket zu Loss and Damage weist einen Weg für die Unterstützung der von Klimaschäden Betroffenen. Es ist eine Grundlage, um die internationale Zusammenarbeit zur Linderung der bereits eingetretenen Klimaschäden zu konkretisieren. Das Paket sieht vor, mit Maßnahmen wie Frühwarnsystemen, Klimarisikoversicherungen und Risiko-Management humanitäre Katastrophen einzudämmen. Es berücksichtigt auch schleichende Klimaveränderungen wie den Anstieg des Meeresspiegels. Zudem ist darin eine Verständigung zum schwierigen Thema klimabedingte Migration vorgesehen.

Während das Thema aus Angst der Industrienationen vor Schadensersatzforderungen bisher gemieden wurde, ist es in Paris gelungen eine komplette Schutzagenda zu initiieren, wie man zukünftig die ärmsten Menschen in Entwicklungsländern bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten unterstützen kann. Sowohl das Abkommen selbst wie auch das Pariser Entscheidungspapier haben viele gute Elemente wie Klimarisikoversicherungen, die tatsächlich für die Leidtragenden von Klimaschäden eine Milderung versprechen.

Eine Regelung für den Umgang mit klimabedingter Vertreibung und Migration ist am Widerstand der russischen Regierung gescheitert und findet sich nun in dem Entscheidungspapier – es ist dennoch Teil des Gesamtpakets. Leider musste auch die Kröte geschluckt werden, dass die US-Regierung eine Klausel eingebracht hat, dass niemals Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Hier hat sich Tuvalu am Ende dennoch durchgesetzt, dass diese Klausel, die von den kleinen Inselstaaten als Beleidigung verstanden wurde, aus dem Abkommen in das Entscheidungspapier verbannt wurde.

Das erste völkerrechtliche Abkommen, das die Bedürfnisse der Ärmsten berücksichtigt

Dennoch ist in Paris das erste völkerrechtliche Abkommen verabschiedet worden, das die Bedürfnisse der Ärmsten berücksichtigt und “Loss and Damage” mit einem eigenen Platz im Abkommen würdigt. Somit wurde international auch anerkannt, dass dieses Thema eine globale Herausforderung ist, die man gemeinsam angehen muss.

In die Zukunft denken

Gerade weil aufgrund des Beharrens der reichen Länder Schadenersatzklagen wegen Klimaschäden ausgeschlossen worden sind, müssen meiner Ansicht nach die Industriestaaten größere Anstrengungen im Bereich der Emissionsminderung unternehmen, damit das Ausmaß der Klimaschäden nicht weiter zunimmt. Und es ist auf jeden Fall wichtig, nicht bei den in Paris vereinbarten Punkten stehenzubleiben. Entscheidend ist es, über Paris hinaus zu denken und schon zu skizzieren, was in Zukunft noch alles nötig ist für erfolgreichen Klimaschutz. Ein ambitioniertes Klimaabkommen in Paris zu erzielen, das als starkes Signal für die globale Dekarbonisierung und die Erhöhung der Klimaresilienz wahrgenommen wird, ist ein notwendiger, aber kein hinreichender Schritt, den Klimawandel einzudämmen. Nach Paris beginnt eine neue Phase der Umsetzung, und die Aufgabe der Zivilgesellschaft bleibt es, die Staatengemeinschaft in die Verantwortung zu nehmen, ambitionierter zu handeln.

Eine große Transformation

Die Klimaverhandlungen in Paris mobilisieren immer breitere gesellschaftliche Kreise, die Klimagerechtigkeit einfordern. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ist gestiegen. Die im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedete Agenda 2030 für eine global nachhaltige Entwicklung bringt dies deutlich zum Ausdruck.

Neue Leitbilder und Visionen ebenso wie die Frage, was strukturell und individuell zu tun ist, werden inzwischen weltweit diskutiert und mit den Folgewirkungen des Klimawandels auf die Ärmsten in Verbindung gebracht. Ohne einen global umfassenden Umbau der Investitions-, Produktions- und Konsumweisen hin zu einer postfossilen, kohlenstoffarmen Wirtschaft wird eine wirksame Eindämmung des Klimawandels nicht gelingen. Ein grundlegender Umbau ist auch deshalb notwendig, weil die Klimakrise in einem engen und wechselseitigen Zusammenhang mit anderen globalen Krisen wie der Nahrungskrise oder der Energiekrise steht.

Die Weltgemeinschaft kann die Klimakrise noch in den Griff bekommen.

Die Berichte des Weltklimarats der Vereinten Nationen warnen und ermutigen zugleich: Die Klimakrise werde nicht beherrschbar sein, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird. Die gute Nachricht dabei lautet, dass wir das Problem nach wie vor in den Griff bekommen können, wenn wir nur wollen. Der New Climate Economy Report schlägt in die gleiche Kerbe: Den Klimawandel einzudämmen sei billiger als mit dessen Folgen umzugehen. Den finanziellen Kraftakt können wir leisten, wenn wir nur wollen.

Entscheidende Weichenstellungen

Die nächsten 15 Jahre werden entscheidend sein, um auf der Welt noch einen klimaverträglichen Wachstumspfad einzuschlagen. In diesem Zeitraum werden weltweit rund 90 Billionen US-Dollar in städtische Infrastruktur, Energiesysteme und Verkehr investiert. Diese Investitionen müssen auf ein klimaverträgliches Wachstum ausgerichtet sein, das mehr Arbeitsplätze, bessere Gesundheit, Produktivität und Lebensqualität bringt.

Der New Climate Economy-Bericht warnt beispielsweise davor, weiter in Kohleverstromung zu investieren. Auf neue Kohlekraftwerke sollten Industrieländer völlig verzichten. Der Ausstieg aus den fossilen Energien bis spätestens zur Jahrhundertmitte ist technisch machbar und wirtschaftlich vorteilhaft, da die erneuerbaren Energien ordentlich aufgeschlossen haben.

Allein die Photovoltaik ist seit 2010 80 Prozent billiger und gleichzeitig 40 Prozent effizienter geworden. Zudem hat es eine gewaltige Verschiebung im Wertesystem der Gesellschaft gegeben. Unter dem Stichpunkt „Divestment“ trennen sich Anlegerinnen und Anleger von Aktien, Anleihen oder Investmentfonds, die unökologisch oder unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig sind.

Der Norwegian Government Pension Fund Global ist einer der wichtigsten Akteure auf den weltweiten Aktienmärkten und zudem einer der Top-Ten-Investoren für die globale Kohleindustrie. Ende Mai 2015 hat das norwegische Parlament einstimmig vereinbart, große Kohlekonzerne aus dem Portfolio auszuschließen. Andere Investoren werden folgen und damit die fossilen Energien durch gezielte und gelenkte Investitionen von den Kapitalmärkten ausschließen, weil sie unrentabel werden.

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