Die Zukunft der Arbeit gerecht gestalten Anforderungen an eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik

Der Arbeitsmarkt in Deutschland steht vor einer mehrfachen Transformation. Diese gilt es mit vorausschauender Arbeitsmarktpolitik zu gestalten, um unsere Gesellschaft in eine digitalisierte, soziale und ökologische Zukunft zu führen.

Deutschland ist – entgegen manch anderer Behauptungen – ein Land der fleißigen Menschen. Noch nie waren in der Bundesrepublik mehr Menschen in Arbeit als im vergangenen Jahr: 2024 gab es 46 Millionen Erwerbstätige (Destatis, 2025), knapp 35 Millionen davon in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Spiegelbildlich dazu lag die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt bei unter sechs Prozent (Bundesagentur für Arbeit, 2025). Jeder einzelne Beschäftigte trägt mit seiner Arbeit zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei.

Noch vor zwanzig Jahren hätte man mit so einer Erfolgsgeschichte kaum gerechnet. Viele Regionen waren von Massenarbeitslosigkeit geprägt, die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern lag zeitweise über 20 Prozent, die Angst vor dem Jobverlust war für viele Menschen allgegenwärtig. Junge Menschen absolvierten teils unbezahlte Praktika, um auf diesem angespannten Arbeitsmarkt überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Die dreifache Herausforderung

Heute kennen junge Menschen das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit überwiegend aus den Erzählungen der Eltern. Sie selbst sind geprägt von einer Zeit, in der nicht Arbeitsplätze, sondern vor allem Arbeitskräfte fehlen. Mit der demographischen Entwicklung wird sich dieses Problem weiter verschärfen.

Gleichzeitig wissen wir, dass sich ein anderer Trend weiter beschleunigen und die Arbeitswelt tiefgreifend verändern wird: Die Digitalisierung und insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) haben längst einen festen Platz im (Arbeits-)Alltag von vielen Menschen. Bis 2035 wird es in Deutschland keinen Arbeitsplatz mehr geben, der nicht auf die eine oder andere Art mit KI zu tun hat.

Und schließlich stehen wir als Volkswirtschaft vor der Aufgabe, unsere Industrie zukunftsfest – und das bedeutet vor allem: CO2-neutral – umzubauen. Neben massiven Investitionen in Infrastruktur und Produktionsanlagen bedeutet das auch für Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Veränderung von Tätigkeiten und Berufsprofilen.

Der Arbeitsmarkt steht also vor einer dreifachen Transformation, in der einerseits ein zurückgehendes Erwerbspersonenpotenzial kompensiert, andererseits auch neue Kenntnisse im Hinblick auf digitale und ökologische Fähigkeiten vermittelt werden müssen. Das führt zu einer paradoxen Situation, in der in manchen Regionen und Berufsgruppen Fachkräfte fehlen, während gleichzeitig an anderer Stelle Arbeitsplätze abgebaut werden.

Den Wandel der Arbeit gerecht gestalten

Wir sollten den notwendigen Strukturwandel als Herausforderung annehmen, die politisch gestaltet werden muss, um unsere Gesellschaft in eine digitalisierte, soziale und ökologische Zukunft zu führen. Statt Wandel zu beklagen, müssen wir ihn gestalten, im Sinne der Menschen. Verantwortungsvolle Politik darf sich nicht selbst zum Treibgut des Wandels degradieren.

Gute Arbeit muss der Ausgangspunkt der Gestaltung der Zukunft sein.

Gute Arbeit muss dabei der Ausgangspunkt der Gestaltung der Zukunft sein. Die allermeisten Menschen verbinden mit ihrer Arbeit nicht nur Broterwerb, sondern auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, soziale Kontakte, Selbstvertrauen und Selbstverwirklichung.

Gerechte Arbeit bedeutet gute Löhne

In den Krisen der vergangenen Jahre ist vielen Beifall geklatscht worden – den Helden des Alltags, denjenigen, die in der Pflege tätig sind, denjenigen, die im Supermarkt arbeiten. Aber Applaus und Blumen füllen nicht den Kühlschrank und zahlen auch nicht die Miete! Hier musste sich etwas ändern. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro war ein Schritt in die richtige Richtung: Mehr Respekt für diejenigen, die Tag für Tag dafür sorgen, dass der Laden läuft. Die Großes leisten – für oftmals kleines Geld.

Der Mindestlohn muss auch in Zukunft weiter steigen. Aber: Ein Mindestlohn bleibt ein Mindestlohn und ist noch kein guter Lohn. Was wir brauchen, ist mehr Bezahlung nach Tarif. Tarifverträge bedeuten bessere Bezahlung, mehr soziale und arbeitsrechtliche Sicherheit und bessere Arbeitsbedingungen. Die Tarifbindung muss insbesondere durch die Einführung einer Tariftreueregelung auf Bundesebene gestärkt werden. Dies ist ein wichtiger Baustein für die Stärkung der Sozialpartnerschaft: Denn es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand durch die Vergabe von Aufträgen Unternehmen belohnt, die nicht nach Tarif zahlen. Mehr Tarifbindung hilft auch, den Gender Pay Gap zu verringern, denn mit Tarifvertrag erfolgen Einstufung und Bezahlung oft gerechter.

Und spiegelbildlich zu guten Löhnen gilt: Nach einem Leben voller Arbeit muss man sich auf eine solide Rente verlassen können. Deshalb ist es wichtig, dass die Rente für alle Generationen auskömmlich, zukunftssicher und stabil aufgestellt ist.

Gerechte Arbeit bedeutet Zugang zum Arbeitsmarkt

Trotz Rekordbeschäftigung gibt es immer noch eine Menge Menschen, die nicht ausreichend Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Daher setzt das Bürgergeld ganz bewusst den Fokus darauf, durch Qualifizierung neue Chancen auf Beschäftigung zu schaffen. Mit dem Gesetz zum inklusiven Arbeitsmarkt sollen außerdem mehr Menschen mit Behinderungen in den regulären Arbeitsmarkt kommen, denn viele von ihnen sind gut qualifiziert und können wertvolle Fachkräfte sein. Und es gibt Beschäftigte, vor allem Frauen, die in Teilzeit feststecken und gerne mehr arbeiten wollen, es aber etwa wegen mangelnder Kinderbetreuung nicht können. Mit zwei Dritteln machen Frauen zum Beispiel den größten Anteil der Minijobberinnen und Minijobber in Deutschland aus. Hier haben wir als Land noch einige Aufgaben vor uns.

Zusätzlich brauchen wir aber auch qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist das modernste Einwanderungsrecht Europas geschaffen worden. Damit konnten in der ersten Jahreshälfte 2024 schon mehr Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland kommen als im gesamten Vorjahr. Das zeigt, dass Gesetze Wirkung entfalten. Und auch die Menschen, die als Geflüchtete gekommen sind – aus der Ukraine und anderswo – sollen mit dem Jobturbo schneller in Arbeit gebracht werden. Bei einer schwachen Konjunktur ist das doppelt schwer, aber auch hier steigen die Zahlen langsam, aber beständig.

Gerechte Arbeit bedeutet, über den Tellerrand hinauszublicken

Viele der Produkte, die uns im Alltag begleiten, werden außerhalb Deutschlands oder Europas produziert und verarbeitet. Kakao oder Kaffee, Jeans und T-Shirts oder Laptops und Handys. Arbeit ist globalisiert, deutsche Unternehmen produzieren und verdienen überall auf dem Globus. Das bedeutet auch eine globale Verantwortung. Es reicht nicht, wenn Unternehmen Arbeitnehmerrechte in Dresden oder Darmstadt achten. Sie haben auch Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette in Dhaka oder Daressalam.

Das Lieferkettengesetz stärkt das Recht auf Würde bei der Arbeit.

Das deutsche Lieferkettengesetz regelt genau das. Wir definieren eindeutig und unmissverständlich, dass deutsche Unternehmen Verantwortung für menschenwürdige Arbeit entlang ihrer Lieferketten haben und wie weit diese Verantwortung reicht. Wir stärken damit die grundlegendsten Rechte von Menschen, nämlich das Recht auf Würde bei der Arbeit. Mittlerweile ist es auch gelungen, eine gemeinsame europäische Lösung für faire Lieferketten zu finden. Das ist gut für die Menschenrechte und die deutsche Wirtschaft, denn dadurch schaffen wir faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa.

Zusammenhalt bedeutet Zukunftsfähigkeit

Gerade in Zeiten großer Umbrüche ist es leicht, Menschen gegeneinander auszuspielen, etwa Geringverdiener und diejenigen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Aber eine gespaltene Gesellschaft ist eine schwache Gesellschaft. Sie ist anfälliger für Populismus, für Blockaden, für Konflikte und Gewalt. Zusammenhalt hingegen bedeutet Zukunftsfähigkeit. Und es ist Aufgabe der Politik, allen Menschen im Land Lösungen anzubieten, die konkret weiterhelfen. Dabei spielt der Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle: In dem Maße, in dem wir den Wandel der Arbeitswelt begleiten, Beschäftigte rechtzeitig auf neue Tätigkeiten vorbereiten und genügend Arbeitskräfte gewinnen, steigt auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine positive Zukunft – für sich selbst, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes.

Quellen

Destatis (2025): Pressemitteilung 001, Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2024 auf neuem Höchststand – Statistisches Bundesamt

Bundesagentur für Arbeit (2025): Presseinfo Nr. 3, Der Arbeitsmarkt im Jahresverlauf 2024 und ein Ausblick auf 2025 | Bundesagentur für Arbeit

 

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