Naturwissenschaften Editorial Ausgabe 3/2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

schaut man als Laie in die Naturwissenschaften kann einem schnell schwindlig werden. Zu undurchschaubar scheinen deren Ergebnisse. Zu komplex. Zu unglaublich auch in manchen Aussagen.

„Wir haben es inzwischen in der Molekularbiologe mit Vorgängen zu tun, in denen die Beziehung von Ursache und Wirkung verschwindet“, sagt zum Beispiel der Bioinformatiker Jens Reich. In hochgradig vernetzten Systemen mit direkten wie auch indirekten Rückkopplungen lässt sich eine einfache Ursache-Wirkungsbeziehung meist nicht mehr darstellen.

Nicht anders in der Quantenmechanik. „Hier gibt es Situationen, bei denen wir partout nicht wissen können, ob ein Ereignis A zu B führte oder ob nicht B vielmehr A verursachte“, schreibt Carsten Könnecker, Chefredakteur beim Magazin Spektrum der Wissenschaft. Um Lesern die unglaubliche Quantenwelt nahezubringen, verwenden die auf Wissensvermittlung spezialisierten Fachredakteure regelmäßig vielseitige Artikel. Dass ein Elementarteilchen an mehreren Orten gleichzeitig sein kann (wie die Quantenphysik lehrt), halten dennoch auch heute die meisten spontan für surreale Professorentheorie.

Ist Naturwissenschaft zur Geheimwissenschaft geworden? Nur wenigen Experten zugänglich? – In diese Richtung scheint der Zellforscher Lars Wegner zu tendieren, wenn er bei uns im Interview gesteht, etwa bei der Forschung zur medizinischen Wirkung elektromagnetischer Felder vor der verworrenen Faktenlage zu kapitulieren. Auch wenn er als berufsoptimistischer Wissenschaftler natürlich zuversichtlich bleibt.

Ungläubigkeit gegenüber wissenschaftlichen Forschungen herrscht in der Bevölkerung sichtlich gegenüber den meisten Klimaforschern vor. Denn mehrheitlich und seit Jahren nimmt man ihnen die Prognosen, oder die Dringlichkeit, schlicht nicht ab. Die Scientists for Future sind hier angetreten, um mehr Glauben zu evozieren.

Doch wie soll man Naturwissenschaftlern auch vertrauen, wenn sie alle paar Jahre mit Neuigkeiten aufwarten (wie der Infragestellung des klassischen Ursache-Wirkung-Paradigmas, s.o.), die vorigen Erkenntnissen fundamental zu widersprechen scheinen? Winfried Dressler erklärt, dass Paradigmenwechsel selbstverständlicher Teil des Forschungsprozesses sind. Das führe dann zu einer Wissensexplosion, dann zu einer Anwendungs- und dann zu einer Problemexplosion. Was auch ethische Probleme einschließt.

Da ist wieder die große Unübersichtlichkeit. Auch unser aspekte-Heft wird daran wenig ändern. Und insofern weniger ein alles lösendes Ei des Kolumbus, denn Problemanzeige sein. Und so Ansätze zum kritischen Weiterdenken liefern. Wie sagt Lars Wegner: Auch und gerade gegenüber den Naturwissenschaften muss kritisches Nachfragen erlaubt bleiben.

Wem oder was glauben Sie?

fragt mit sonnenbeschienenen Grüßen aus der Redaktion

Ihr
Manfred Schütz

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