Gott knüpft die Fäden anders Bibel und Bild

„Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ (1. Mose 50,20)

Man kann das Leben eigentlich nur aushalten, wenn dieser Satz wirklich stimmt. Joseph sagt ihn am Schluss der langen Geschichte (ab 1. Mose 37), die mit der abgrundtiefen Bosheit seiner Brüder gegen ihn beginnt und in einer glücklichen Familienharmonie endet. Kann man die entsetzlichen Menschheitsverbrechen und die schuldhaften Versäumnisse an der uns anvertrauten Erde ertragen, wenn man dies nicht mehr glaubt: Dass dahinter allem zum Trotz der „Netzwerker“ Gott mit seiner Welt ganz entgegengesetzte Ziele verfolgt?

Ich gebe zu, das klingt anstößig. Man muss sich beeilen, sofort hinzufügen: Schuld und Versäumnisse der Menschen werden dadurch keineswegs eliminiert oder verkleinert. Noch wichtiger ist zu betonen: Gott bedient sich nicht etwa absichtlich der bösen Machenschaften von Menschen für seine guten Ziele. Ihr gedachtet es böse, aber Gott gedachte es gut zu machen, das heißt einfach: Wir sind unseren bösen Taten nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Gott vereitelt das.

Manchmal dauert es Generationen und man erkennt erst in der Rückschau, dass Gott sein gutes Netz knüpfte und die bösen Taten der Menschen ins Leere laufen ließ. Zuweilen bleibt es uns ganz verborgen. Manchmal handelt er auch überraschend und schnell. Die Süddeutsche Zeitung hat kürzlich in einer Recherche herausgefunden, dass zwei deutsche evangelische Theologen maßgeblich daran beteiligt waren, dass der Hauptverbrecher an den Judenmorden, der SS-Führer Adolf Eichmann, aufgespürt und verurteilt werden konnte. Ein deutscher Techniker entdeckte Eichmann in Argentinien, wohin er wie viele Nazis flüchtete. Er weiht seinen Freund in Deutschland, einen Pfarrer, ein und bittet ihn, seine Entdeckung samt genauer Anschrift in die richtigen Kanäle zu leiten. Über einen weiteren, leitenden Theologen geht der Hinweis an den damals für solche Strafverfolgungen einzig vertrauenswürdigen Juristen, der den israelischen Geheimdienst informiert. Eine atemberaubende Geschichte. Vor allem, wenn man weiß, dass in den Nachkriegsjahren unsere Kirche eher Empathie für die Naziverurteilten aufbrachte, als für deren Opfer. Nach ihrer schuldhaften antisemitischen, antijüdischen Vergangenheit setzt Gott an einer kleinen Stelle ausgerechnet Vertreter dieser Kirchen in Gang, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Als genereller Gegner der Todesstrafe ist man sicher nicht gerade glücklich über das unvollkommene irdische Instrument der Genugtuung durch eine Hinrichtung. Aber wer könnte nicht an der Seite der Überlebenden der Shoa stehen, wenn sie erkennen: „Gott lässt sich nicht spotten“?

Der Satz vom Ende der Joseph-Geschichte ist kein zufälliger Gedanke. Viele Psalmen sind gefüllt mit der Gewissheit: Die Bäume der Despoten und Gewalttäter wachsen nicht in den Himmel, sie können Gottes Ziel mit dieser Welt nicht hindern. Das Magnifikat der Maria, bald wieder im Mittelpunkt des Advents, bekräftigt es: „Er stürzt die Machthaber vom Thron und hebt die Unbedeutenden empor.“ Was Menschen auf Golgatha böse zu machen gedachten, verwandelte Gott an Ostern zum Guten.

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