Stichwort: Atombombe Albert Schweitzers Engagement für den Frieden

Soll ein prominenter Christ, der weltweit als eine moralische Autorität gilt, seinen öffentlichen Einfluss für bestimmte politische Positionen geltend machen? Albert Schweitzer hat diese Frage fast 80 Jahre seines Lebens verneint. Er wollte durch sein persönliches Vorbild wirken und nicht durch politische Pamphlete.

Im letzten Jahrzehnt seines neunzigjährigen Lebens hat er diese Zurückhaltung allerdings bei einem wichtigen Thema aufgegeben: beim Kampf gegen Atomtests und Atomwaffen. Ursache war die Zündung der ersten Wasserstoffbombe durch die USA im Jahr 1952 sowie weitere folgende Tests, mit deren gesundheitlichen Folgen Schweitzer sich intensiv auseinandersetzte. Schon in einem Brief, der am 14. April 1954 im Londoner Daily Herald erschien, nannte der die Wirkungen der Wasserstoffbomben-Explosionen „ein höchst beängstigendes Problem“, und auch bei seiner Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises im November des gleichen Jahres warnte er vor den Gefahren von Atomwaffen.

Treiber für diesen Wandel war ein anderer Albert, nämlich Albert Einstein. Dieser drängte Schweitzer während des Kalten Krieges immer wieder, sich ebenso wie er öffentlich gegen die atomare Aufrüstung zu stellen und vor den Gefahren eines Atomkriegs zu warnen. Die beiden berühmten Alberts kannten einander seit den 30er Jahren und waren in einem freundschaftlichen Briefwechsel miteinander verbunden. Nach dem Tod Einsteins am 18. April 1955 wurde das von ihm noch unterzeichnete „Russel-Einstein-Manifest“ gegen atomare Aufrüstungsbemühungen veröffentlicht und sorgte dafür, dass sich viele internationale Wissenschaftler gegen Atomwaffen(tests) positionierten. Dem schließt sich nach einem Treffen mit Bertrand Russel im Oktober 1955 auch Albert Schweitzer an. Als ihn im Januar 1957 der bekannte Publizist Norman Cousins in Lambarene besucht, gewinnt dieser ihn außerdem dafür, einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Eisenhower zu schreiben. Darin fordert Schweitzer einen Weg, „die Waffen zu kontrollieren, die das Leben auf der Welt bedrohen“.

Drei Monate später, am 23. April 1957, strahlen Radio Oslo und etwa 140 angeschlossene Stationen in 50 Staaten einen von Schweitzer verfassten „Appell an die Menschheit“ aus. Schweitzer schildert die gesundheitlichen Folgen von Kernexplosionen und ruft zu einer Beendigung aller Atomtests auf. Im Januar 1958 findet sich seine Unterschrift unter einer von 9235 Wissenschaftlern unterschriebenen Resolution mit der Forderung nach einem Atomteststopp-Vertrag. Drei weitere Radio-Appelle über Radio Oslo folgen; sie erscheinen 1958 unter dem Titel Friede oder Atomkrieg.

Schweitzers Radio-Appelle haben weltweit eine enorme Wirkung. Obwohl die Sendungen in den USA nicht ausgestrahlt werden dürfen, lösen sie auch dort eine breite wissenschaftliche und politische Diskussion aus (wie auch eine von der CIA gestreute Diffamierung Schweitzers als „Kommunist“). In europäischen Ländern bekommen Anti-Atomtest-Bewegungen durch Schweitzers Autorität Rückenwind. Gleichzeitig wird Schweitzer aber auch hier in Zeitungen und von Politikern angegriffen.

Zwei Jahre vor seinem Tod kann sich Schweitzer über einen Erfolg freuen: Am 5. August 1963 schließen die Atommächte einen Vertrag über den Stopp aller überirdischen Atomtests. Zuvor wendet der Friedensnobelpreisträger sich noch mehrfach in Briefen an US-Präsident John F. Kennedy, u.a. um auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise 1962 einen drohenden Einsatz von Atomwaffen zu verhindern. Dem Kampf gegen die Atombombe ist Schweitzer bis zu seinem Lebensende treu geblieben. Sein Engagement hat (leider) bis in unsere Tage nichts an Aktualität verloren.

Zum Weiterlesen

Schreiben Sie einen Kommentar