Klett-Cotta, Stuttgart, 2024, 279 S., 25,00 EUR
Während gegenwärtig heftige Debatten um Strukturreformen innerhalb der Kirchen ablaufen, fragen bedeutende Vertreter der Geisteswissenschaften nach der Relevanz des Glaubens (Charles Taylor, Hans Joas, Bruno Latour, Jürgen Habermas, Gianni Vattimo). Für Stegemann entstand im Prozess der Säkularisierung eine Zerfaserung des Glaubens in winzige Partikel, die gespenstisch in der Gesellschaft wirkten, verhärtet im Normalfall als innerweltliches Bescheidwissen (Identitätspolitik) oder in einer Verharmlosung zur Privatreligion (Vergötterung des Individuums). Heute existiere ein Verlust der Wahrnehmung des Transzendenten. Religiöse Gefühle schweben frei umher und vergrößern subjektive Ängste zu einer säkularen Apokalypse.
Die neuen Formen des Glaubens erschienen in unterschiedlicher Gestalt: als gnostisch-manichäische Praxis, im religiösen Fanatismus, als Nihilismus, als unfehlbarer Protest und Ressentiment, in der Glaubenshärte einer lieblosen Vernunft. Wichtigster Vertreter dieser Entwicklung heute sei eine religiös aufgeladene Politik: Sie bekenne sich zur innerweltlichen Gnosis mit ihrem Einsatz des säkularen Glaubens als ideologische Waffe. Wir lebten, so die Diagnose, in Zeiten einer religiösen Hoffnungslosigkeit, einer polarisierenden Bekenntniskultur. Der Glaube sei zum öffentlichen Diskurs verkommen.
Stegemann schlägt als Ausweg aus der säkularen Apokalypse vor, die Sackgasse leeren religiösen Sprechens zu verlassen, damit das Gefühl für das Unverfügbare wieder möglich werde. Sein konkretes Rezept: Demut erlernen.