Christina Clemm: AktenEinsicht Geschichten von Frauen und Gewalt

Kunstmann 2020, 206 S., geb. 20 EUR, E-Book  15,99 EUR

„AktenEinsicht“ führt uns in Gerichtssäle und erzählt die Geschichten von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Es sind Berichte, die so sachlich geschildert werden, dass es schmerzt. Wie Frauen bedrängt werden, beschädigt, bedroht, verhöhnt, misshandelt. Wie sie keine Chance haben.

So wie Eva, die ihren Freund verlässt, als er ihr in den schwangeren Bauch tritt. Er verfolgt sie, bedroht sie. Siebzehn Mal zeigt sie ihn bei der Polizei an. Vergeblich. Schließlich findet ihre erwachsene Tochter sie tot in der Wohnung. In weiteren Fällen geht es um Sexualdelikte, Rechtsradikale, bei denen antifeministische Gewalt zur Ideologie gehört, Gewalt gegenüber geflohenen Frauen uvm.

Die Autorin, selbst Anwältin, verleiht Frauen eine Stimme, die sonst schweigen. Sie haben gute Gründe dafür. Und wenn sie ihre Stimme erheben, die Täter anklagen, gibt es dann Gerechtigkeit? Christina Clemm gibt Einblicke ins deutsche Rechtssystem, die einem den Glauben daran nehmen können. Gewalt wird in Deutschland systematisch gegen Frauen gerichtet und vor Gericht fortgesetzt.

Wussten Sie, dass Polizisten vor Gericht tendenziell geglaubt wird, Frauen, die von häuslicher Gewalt berichten, grundsätzlich aber misstraut? Dabei gibt es keine wissenschaftlich fundierten Zahlen, die beweisen, dass Frauen Partnerschaftsgewalt überproportional falsch anzeigen. Und sollte eine betroffene Frau vor Gericht tatsächlich Recht bekommen haben, findet sie hinterher keine Stelle mehr, weil sie als schwierig gilt. Währenddessen gibt es zahlreiche prominente Beispiele dafür, dass Männer, denen Sexualdelikte vorgeworfen wurden, keineswegs negative berufliche oder soziale Konsequenzen befürchten müssen.

Jede dritte Frau erfährt im Laufe ihres Lebens Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet dies sogar als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen weltweit. Das führt aber nicht dazu, dass das in der Gesellschaft ausreichend diskutiert wird. Oder gar verhindert. Oder wenigstens geächtet. Immer noch werden Morde an Frauen medial nicht als Morde dargestellt, sondern als „Beziehungsdramen“. Frauen werden in der Werbung als Ware dargestellt, in Jobs schlechter bezahlt, sexistische Sprüche sorgen für Einschaltquoten, und Frauen verachtendes Verhalten ist keineswegs ein Karrierekiller, im Gegenteil. Es reicht leider nicht, selbst keine Gewalt auszuüben, um daran etwas zu ändern.

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