„Mit Klatschen ist es nicht getan“ Die weibliche Seite der Corona-Pandemie

Die Kinder betreuen, den Job am Laufen halten, die Ausnahmesituation managen und sich zugleich um Angehörige kümmern – für viele Frauen bedeutet die Corona-Situation eine unbekannte Belastungsprobe. Wo die Spielräume ohnehin eng sind, braucht es nun besondere Unterstützung.

Es wäre vermessen zu sagen, das Corona-Virus träfe eher Frauen. Es ist schlicht eine unwirkliche Situation, die für viele Menschen, Frauen und Männer, Jung und Alt, unverhofftes und ungekanntes Leid bringt und von bestimmten Berufssparten enorme Belastungen einfordert. Erste Studien zeigen jedoch, dass Auswirkungen der Infektionslage durchaus geschlechtsspezifisch unterschiedlich sind (so z.B. die Ergebnisse der Online-Umfrage corona-alltag.de des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung). Daher ein Streifzug durch verschiedene Aspekte.

Frauen zuhause

Ob sie zuhause, berufstätig oder beides sind – zurzeit begleiten Frauen Homeschooling und betreuen Angehörige wieder zuhause. Je jünger die Kinder sind und je betreuungsbedürftiger die Angehörigen, umso weniger Zeit bleibt für sie selbst oder die Arbeit. Wenn Kindertagesstätten und Schulen schließen, sind Frauen als Co-Lehr- und Reinigungskräfte, Köchinnen, Freizeit- und Pflegemanagerinnen gefragt. Kinder verstehen häufig nicht, dass ihre Fragen, Freuden und Sorgen bei Mama nicht sofort Platz finden.

Viele Frauen engagieren sich als Elternvertreterinnen und koordinieren mit den Schulen die Lernbedingungen. Sie machen darauf aufmerksam, dass Familien in existentieller Not zum Beispiel mit der Notwendigkeit schulfähiger mobiler Endgeräte unter Druck geraten. Dies gilt für Alleinerziehende in gesteigertem Maß (vgl. die Informationen des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter auf www.vamv.de). Enge Wohnverhältnisse, aggressive Kinder oder Partner können die eigene Wohnung zur Hölle werden lassen. Dies gilt insbesondere auch für Frauen in Flüchtlingsunterkünften oder für Frauen in verdeckter Wohnungslosigkeit.

Frauen im Beruf

1,6 Millionen Mütter (diese und weitere Daten aus Mikrozensus 2018, www.destatis.de) sind alleinerziehend und verantworten Kindererziehung und Lebensunterhalt. Knapp ein Drittel der Alleinerziehenden arbeiten in systemrelevanten Berufen. Für sie, aber auch für alle anderen, ist eine bezahlte Freistellung unabdingbar. Familie hat kirchlicherseits einen hohen Stellenwert; in anderen Branchen ist das nicht unbedingt so. Deshalb wäre auch für Frauen dort eine allgemein geregelte bezahlte Freistellung zur Kinderbetreuung wichtig, damit sie keine beruflichen Nachteile befürchten müssen, wenn sie sich für Kinderbetreuung entscheiden und die Rücksichtnahme des Arbeitsgebers einfordern.

Nicht nur Familien, auch Gesellschaften brauchen Nahrung, Kleidung, Bildung und Ordnung. Schlecht bezahlte Frauenbranchen sind frauenpolitische Dauerbrenner. Mit Klatschen ist es nicht getan: Kranken- und Altenpflegerinnen, Erzieherinnen, Verkäuferinnen, Arzthelferinnen sind nicht aushäusige Hausfrauen, sondern Fachfrauen, die in besonderer Weise der Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Es ist Zeit zu fragen, ob ein maßgeblich marktorientiertes Gesundheitswesen ein attraktiver Arbeitsort ist, wenn Pflegekräfte am Rand der Belastbarkeit arbeiten und häusliche Betreuung ohne Care- oder Reinigungs-Migrantinnen nicht mehr zu bewältigen ist. Sparen und Illegalität rächen sich. Wir brauchen gerade sie: die Frauen, die alltäglich in Heimen und Kliniken für Hygiene sorgen und die sich dem Leid und der Fürsorge gut ausgebildet und gerne annehmen.

Single-Frauen

Knapp die Hälfte alleinlebender Frauen sind älter als 65. Zum persönlichen Wohlbefinden können wir noch keine studienbasierten Aussagen machen, aber die Gefahr der Vereinsamung oder des ungesehenen Erkrankens liegen auf der Hand. Auch junge Single-Frauen leiden unter der häuslichen Isolation. So Social-Media-affin sie auch sein mögen, analoges soziales Leben hat seinen eigenen Wert.

Frauen in Krisengebieten und auf der Flucht

In Krisengebieten und auf der Flucht bleiben Frauen häufiger mit Kindern und Eltern vor Ort allein zurück. An ihnen hängt unerträglich viel unter noch unerträglicheren Bedingungen. Frauen und Mädchen, die sich auf der Flucht befinden, sind laut UNHCR von massiven Schutzrisiken bedroht, besonders vor der Gefahr vermehrter Prostitution und Zwangsheirat. Die Pandemie bringt also nicht nur gesundheitliche, sondern auch Rechts- und Schutzfragen mit sich.

Frauen in Verantwortung

Die Länder mit der besten Corona-Situation werden von Frauen regiert.

Die Forbes-Autorin Avivah Wittenberg-Cox hat deutlich gemacht, dass Länder mit der besten Corona-Situation (neben Taiwan, Neuseeland, Finnland, Norwegen und Dänemark auch Deutschland) von Frauen regiert werden. Unter welcher Belastung Frauen in Führungsverantwortung gleichzeitig den Mangel an Selbst- und Fremdschutzmaterialien, den Fachkräftemangel und die Abwesenheit von ehrenamtlicher Unterstützung managen, ist eine ganz andere Frage. Und durch die Aussetzung des Generationenkontakts fällt in vielen Privathaushalten die Großmütterleistung der Kinderbetreuung oder nachgeburtliche Fürsorge weg.

Frauen und Ehrenamt

Mit 70 Prozent der Ehrenamtlichen machen Frauen Kirche zu einem lebendigen Ort oder unterstützen zum Beispiel Betreuungsangebote in der Altenhilfe. Ihre Arbeit ist ausgesetzt – ihr Engagement fehlt. Sawsan Chebli, Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales, definierte im Tagesspiegel Solidarität als „harte Währung“, die einen neuen Ausdruck sucht und findet. Frauen aktivieren Nähmaschinen und produzieren Schutzmasken für Kinderheime oder Wohnungslose. Langjährige Unternehmerinnen machen Online-Tutorials für Homeoffice-Technik. Frauen bleiben kreativ und dran.

Bewältigen können wir es nur miteinander. Auch das erleben wir in vielen Familien und Krisenstäben: Frauen und Männer, die die Anforderungen gemeinsam organisieren und schultern.

Zuletzt noch ein persönlicher Blick

Am Anfang war Galgenhumor zum improvisierten Homeoffice und zum Sortieren von Beruf und Privatleben am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wichtig. Aber ich stehe der Pflege nah. Die verzweifelte Bitte „Betet für uns“ lässt mich nicht los. Fragiles wird wichtig: Geburt, Krankheit und Tod. Gerade die Schwächsten müssen auf menschliche Nähe verzichten. Welchen Ausdruck finden wir für Zuwendung, Trost und gegenseitiges Erbarmen? Wie halte ich die Not anderer aus und wie gehe ich mit Zorn über Unverantwortliches um? Es ist die Spannung zwischen totaler Normalität, subtiler Angst und echter Sorge, die mich selbst, unsere Kinder und Angehörige beschäftigt und Kraft kostet.

Und daneben ein großer Batzen Dankbarkeit: für die tollen Online-Angebote der Vereine meiner Kinder; für den Platz in unserer Wohnung und dafür, dass unser Viererclub gut harmoniert; für das Internet. Und für die Aktivitäten anderer, während ich Zeit brauche, mich einzufinden in das, was das Leben gerade von mir fordert.

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