Kreuz Ausgabe 4/2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Erkennungszeichen der ersten Christen war der Fisch. Das Kreuz wurde erst später zum zentralen christlichen Symbol. Ausgerechnet ein römisches Folter- und Hinrichtungsinstrument schmückt damit bis heute Kirchen und Halsketten. Man stelle sich vor, eine Religion würde sich den elektrischen Stuhl zum Symbol wählen…

Das Kreuz weckt aber nicht in erster Linie wegen seiner funktionalen Geschichte Widerstände, sondern wegen dem, der unter der hämischen Inschrift „König der Juden“ auf Golgatha daran hingerichtet wurde. „Mir willst du zum Gotte machen, solch ein Jammerbild am Holze!“ schrieb Goethe im West-östlichen Diwan. Und schon Paulus notierte im 1. Korintherbrief, dass das Kreuz für die einen (nämlich die  Juden) „ein Ärgernis“ und für die anderen (nämlich die Heiden) „eine Torheit“ bedeutete (1. Kor 1,23) und sich nur für Christinnen und Christen im Glauben als „Gottes Kraft“ erweisen könne.

@dichtungsding / Konstanze Ebel

So oft das Kreuz nun heute unbeachtetes Schmuckmotiv ist, so sehr schlagen die Wellen hoch, wenn es um seinen Platz im öffentlichen Raum geht. Die einen wollen es daraus verbannen, die anderen – wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit seiner Anordnung aus dem Jahr 2018 – verpflichtend anbringen. Um die religiöse Bedeutung des Kreuzes-Motivs, oder gar um seinen christlich bestimmten Sinn, wie ihn Christian Reich in unserem Eröffnungsbeitrag entfaltet, muss es dabei gar nicht gehen. Das Kreuz wurde von jeher für politische Instrumentalisierungen genutzt. Das reicht, wie Kathrin Müller zeigt, zurück bis zum römischen Kaiser Konstantin und geht bis zu von Johann Hinrich Claussen nachgezeichneten aktuellen Hauptstadtdebatten.

Trotz aller abweichenden Deutungen erinnert das Kreuz daran, dass die Botschaft von Christus als dem Gekreuzigten im Zentrum des christlichen Glaubens steht. Es ist damit einerseits ein Zeichen, das in der Tat Abgrenzungen schafft, andererseits aber zugleich zu ihrer Aufhebung einlädt. Mit dem Aufruf Jesu das eigene „Kreuz“ in der Nachfolge auf sich zu nehmen (Lukas 9,23), werden Christenmenschen selbst in die Verantwortung gerufen. Susanne Büttner zeigt in ihrem Bericht aus der Gefängnisseelsorge, wie dies im Alltag einer Pfarrerin aussehen kann. In solcher Nachfolge trifft sich, wie Mouhanad Khorchide erläutert, die christliche Interpretation des Kreuzes mit muslimischen Deutungen.

Das Kreuz bleibt ein „sperriges Zeichen“ – und das ist auch gut so. Wir wünschen Ihnen, dass Sie in den Beiträgen dieses Heftes neue Zugänge dazu finden.

Es grüßt Sie aus der Redaktion
Bertram Salzmann

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