Symbole, an denen Fahrzeuge von Bestattungsunternehmen zu erkennen sind, können auch auf kulturelle Veränderungen aufmerksam machen. Lange war das Kreuz der Klassiker, häufig in Verbindung mit den Strahlen des neuen Tages in der kommenden Welt.
Heute müssen sich Bestatter auf eine weltanschaulich diverse Kundschaft einstellen. Da ist das Symbol eines Baumes auf dem Leichenwagen konsensfähiger. Und auch als letzte Ruhestätten werden Bäume beliebter. Viele Friedhöfe bieten Baumgräber an. Wer die Natur liebt und Naturverbundenheit als Bindeglied zwischen Lebenden und Toten schätzt, lässt sich einen Baum im Friedwald reservieren.
Bäume wurden schon vor Jahrtausenden als heilige Orte verehrt, in denen göttliche Kräfte gegenwärtig sind. Für die Kelten waren große Bäume, die viele Generationen überdauerten, Kultstätten für religiöse Feiern. Und auch biblische Erzählungen kennen viele Geschichten, in denen Bäume eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Szene von Abraham, als er im Hain von Mamre Besuch bekommt von drei geheimnisvollen Männern, die sich im Rückblick als Gottesboten erweisen. (Gen 18).
Bei der Christianisierung der Länder nördlich der Alpen im frühen Mittelalter gelang es Missionaren wie Bonifaz, die Überlegenheit des Christengottes dadurch zur Schau zu stellen, dass er im heutigen Nordhessen eine als germanisches Heiligtum verehrte Eiche fällte, ohne dafür von den nach dem Volksglauben mit diesem Baum verbundenen göttlichen Kräften bestraft zu werden. Aus dem Holz der Donar-Eiche soll Bonifaz dann eine christliche Kapelle gebaut haben. Solche Beweisführung göttlicher Stärke wird heute zurecht kritisch gesehen. Die problematische Methode, göttliche Macht und Kraft daran zu messen, welche Strafmaßnahmen ein Gott den bestehenden Machtverhältnissen entgegensetzt, ist aber schon in den biblischen Evangelien vielfach überliefert, am stärksten in der Aufforderung an den gekreuzigten Jesus: „Hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“ (Mt 27,40).
Die Symbole von Baum und Kreuz haben also eine längere Konkurrenzgeschichte. Während Kultstätten „unter jedem grünen Baum“ (Dtn 12,2) in den biblischen Texten des Ersten Testaments als Inbegriff des heidnischen Götzendiensts genannt werden, spricht das Neue Testament vom Skandal des Kreuzes, das als Symbol des Todes für Christen zum Sinnbild des ewigen Lebens geworden ist.
Eine Verbindung von Kreuz und Lebensbaum kommt aus der biblischen Erzählung vom Paradies mit den beiden Bäumen, die Gottes besonderes Eigentum sind: der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens. Weil die Menschen vom Baum der Erkenntnis essen, sind sie in der Lage, Gutes und Böses zu tun. Und weil und solange sie auch Böses tun, zerstören sie das Leben – das eigene, das Leben der Mitmenschen und alles Leben in dieser Welt. Dem todbringenden Menschen setzt Gott den lebenbringenden Menschen entgegen, der selbst den gewaltsamen Tod erleidet und überwindet. Ein aus Ungarn überliefertes Passionslied im Evangelischen Gesangbuch nimmt das Bild auf:
Du schöner Lebensbaum des Paradieses, gütiger Jesus, Gotteslamm auf Erden. Du bist der wahre Retter unsres Lebens, unser Befreier. 2. Nur unsretwegen hattest du zu leiden, gingst an das Kreuz und trugst die Dornenkrone. Für unsre Sünden musstest du bezahlen mit deinem Leben. 3. Lieber Herr Jesus, wandle uns von Grund auf, dass allen denen wir auch gern vergeben, die uns beleidigt, die uns Unrecht taten, selbst sich verfehlten. 4. Für diese alle wollen wir dich bitten, nach deinem Vorbild laut zum Vater flehen, dass wir mit allen Heilgen zu dir kommen in deinen Frieden. (EG 96)