Nächstenliebe Ausgabe 2/2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Nächstenliebe bedeutet, dass man seine Mitmenschen so annehmen soll, wie sie sind, und dass man ihnen auf jeden Fall helfen soll.“ So einfach erklärt das Online-Kinder-Lexikon unter www.religionen-entdecken.de, was es mit der Nächstenliebe auf sich hat. Wenn man genauer hinschaut, wird es freilich etwas komplizierter: Gilt das wirklich für alle Menschen weltweit? Und wie soll man das dann leisten? Spielt räumliche oder persönliche Nähe zum Nächsten gar keine Rolle? Und darf/muss die Nächstenliebe nicht auch gegen berechtigte Eigeninteressen abgewogen werden?

Angesichts all dieser Fragen ist es uns nicht schwer gefallen, einen ganzen Heftschwerpunkt mit Beiträgen zu Aspekten der Nächstenliebe zu füllen. Dass die theologischen Perspektiven bei diesem Thema besonders ausgeprägt sind, versteht sich von selbst. Nächstenliebe und ihre Auswirkungen sind aber natürlich auch ein gesellschaftliches Phänomen. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen für Solidarität und Hilfsbereitschaft, in der Nähe wie in der Ferne. Wir spüren dies durch den Krieg gegen die Ukraine, der immer mehr Menschen zur Flucht auch nach Deutschland zwingt, ebenso wie durch die anhaltenden Folgen der Corona-Krise, unter denen viele weiterhin leiden. Und natürlich begegnen uns neben den Kriegen und Krisen im Großen auch viele kleine Szenen der Hilfsbedürftigkeit in unserem Alltag.

Wie sich das biblische „Trainingsprogramm“ der Nächstenliebe genau in diesem Alltag auswirken kann, umreißt der katholische Theologe Thomas Söding in seinem Eröffnungsbeitrag; wie es kirchliche Praxis wird, beschreibt Anne Gideon, seit Sommer letzten Jahres  Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Peter G. Kirchschläger und Perry Schmidt-Leukel beleuchten anschließend die Frage, inwieweit Nächstenliebe auch für die philosophische Ethik und in anderen Religionen ein Thema ist: Ist Nächstenliebe letztlich ein Gebot, auf das sich alle einigen können, auch wenn sie es vielleicht unterschiedlich nennen?

Bei aller Nächstenliebe dürfen andere wichtige Themen auch nicht ganz unter den Tisch fallen. Das gilt insbesondere, als die Redaktion der evangelischen aspekte Zuwachs zu vermelden hat: Nach einem Jahr als freie Redakteure sind Laura Brand, Sarah Hilmer und Raphael Zager in die Redaktion eingetreten.

Genauso erfreulich ist die Zusammenarbeit mit der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) in Heidelberg, die wir mit dieser Ausgabe beginnen. An der FEST wird zu den Themengebieten „Religion, Recht und Kultur“, „Frieden“, „Nachhaltige Entwicklung“ sowie „Theologie und Naturwissenschaft“ geforscht – alles auch regelmäßig Themen in den evangelischen aspekten. Ab sofort ermöglichen wir Autorinnen und Autoren aus der FEST, Forschungsergebnisse mit unserer Leserschaft zu teilen, und eröffnen damit Ihnen zugleich Einblicke in aktuelle Forschung aus erster Hand.  A. Katarina Weilerts Beitrag zu den neu aufgeflammten Diskussionen um § 218 zeigt, wie spannend sich dieses Projekt gestaltet.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen im Namen der ganzen Redaktion

Bertram Salzmann

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