Stichwort: Empathie Mitgefühl kann/muss man lernen

Empathie wird oft als Einfühlungsvermögen, als Mitfühlen beschrieben. Genauer bezeichnet Empathie aber das eigene, gefühlsbetonte Nachempfinden einer in einem anderen Lebewesen vermuteten Emotion, mit der gleichzeitigen Abgrenzung durch das Wissen, nicht diese Person zu sein.

Zuletzt berührten uns alle die Bilder aus den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei, wir alle erinnern uns an die Bilder des Angriffskriegs auf die Ukraine. Wir fühlen unmittelbar mit den Opfern dieser Katastrophen mit. Medien berichten ausführlich, es gibt große Solidaritätsbewegungen aus empathischem Mitfühlen mit den Betroffenen und wir fragen nach dem Warum: Warum greifen Menschen zu Waffen und töten damit? Warum befolgt jemand Befehle, die wir nicht verstehen? Was bringt ein Staatsoberhaupt dazu so einen Krieg zu befehlen?

Wenn Menschen empathisch sind, wissen sie darum, welches Leid ihr Handeln nach sich ziehen kann. Sie wissen auch darum, welche positiven Auswirkungen sie auf ihre Lebenswelt haben können. Wenn wir mit anderen mitfühlen und bewusst unser Handeln auf die Konsequenzen für andere hinterfragen, könnten wir alle eine bessere Welt erschaffen. Was braucht es dazu also?

Zunächst einmal braucht es ein Wissen um die eigenen, in der Person liegenden Gefühle. Nur wenn ich meine eigenen Gefühle kenne, kann ich bei anderen die Gefühle vermuten oder erkennen. Wenn man in durchschnittlichen Grundschulklassen nach Gefühlen fragt, werden meist nur diese wenigen benannt: Wut, Freude, Angst.

Eine Studie der Universität Berkeley aus dem Jahr 2017 kommt hingegen auf die stattliche Zahl von 27 verschiedenen Emotionen (Cowen, Keltner: Self-report captures 27 distinct categories of emotion bridged by continuous gradients. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2017). Es ist wichtig diese Emotionen bei sich nachzuvollziehen. Nur wenn ich Trauer bei mir kenne, kann ich nachvollziehen, wie sich andere Menschen fühlen, die gerade traurig sind oder trauern.

Empathie braucht Übung. Kinder zwischen drei und vier Jahren sind in der Lage Empathie zu entwickeln, wenn sie dazu ein Übungsfeld haben. Wenn wir Erwachsene empathisch mit den Kindern interagieren, wenn wir Erwachsene Empathie gegenüber anderen leben und wenn wir Konflikte annehmen und lösen, indem wir daraus ein Erlebnisfeld von Empathie schaffen, dann sind Kinder sehr gut in der Lage, sich in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen, gleichzeitig aber auch die eigenen Emotionen wahrzunehmen und ernst zu nehmen.

Und was für Kinder gilt, gilt für uns Erwachsene genauso: Empathie gilt als Kompetenz, die erworben werden will, die geübt werden muss. Sie ist zwingend notwendig für eine demokratische Gesellschaft, deren Grundfeste immerwährende Aushandlungsprozesse sind. Deshalb: Probieren Sie doch einfach mal aus, Ihre eigenen Gefühle zu benennen. Haben Sie Freude am Üben, beim Erleben von Nostalgie, Erleichterung, Aufregung, Interesse, Langeweile, Verzückung, Gelassenheit… Versuchen Sie sich in andere hineinzuversetzen, zeigen Sie Menschlichkeit im Sinne Albert Schweitzers, der formulierte:

„Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.“

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