Gret Haller: Europa als Ort der Freiheit Die politische Rolle des Individuums in Zeiten des Nationalismus

Stämpfli Verlag , Bern, 2018, 112 S., 29,00 EUR

Gret Haller (Juristin, Politikerin, Diplomatin) ist Schweizerin. Die politische Kultur ihres Landes, beruhend auf der Gründung des Bundesstaates 1848, beschreibt sie als ein Modell für eine neue Form der Staatlichkeit, wie sie durch die (politisch ausbaubedürftige ) Europäische Union repräsentiert wird. Anders als geeint, könne Europa seine Werte (Sozialstaatlichkeit, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit) nicht verteidigen bzw. ausbauen.

Nun ist die Schweiz gerade kein Mitglied der EU, auch wenn sie weitgehend in den Binnenmarkt und dessen Rechtssystem eingebunden ist. Doch in der Schweiz kooperieren Menschen, die keine gemeinsame Identität (Herkunft, Religion, Sprache usw.) besitzen. Der Zusammenhalt beruht vielmehr auf einer Loyalität zu den Institutionen: „Der jodelnde Appenzeller Bauer, der sozialistische Arbeiter aus Bern und der anglomane Bankier aus Genf, die sich fremd bleiben und dennoch verbunden werden durch die eidgenössischen Institutionen“ (S. 98), für die sie gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Die föderalistisch konstruierte Schweiz mit ihren 26 Kantonen (EU: 28 Mitgliedsstaaten) funktioniert durch eine „vertikale Souveränitätsteilung“. Nach dem Subsidiaritätsprinzip obliegen den Institutionen des Bundes nur Entscheidungen, deren Umsetzung den wohlverstandenen kantonalen Interessen dienen. Die Einsicht, Souveränität zu gewinnen, indem man sie teilt, könnte auch den Weg zu einer fortentwickelten europäischen Integration bahnen und dem Nationalismus Paroli bieten. Modellhaft sei auch das individualistische Freiheitsverständnis. Nicht mehr in bestimmte Gruppenidentitäten hineingezwungen, erwarten die Bürger die (rechtsstaatliche) Garantie ihrer Freiheiten und ordnen in (indirekter und direkter) demokratischer Selbstbestimmung ihr staatliches Zusammenleben.

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