Kann Kirche Kulturwandel? Kolumne

Digitale Adventskalender, digitale Schichtpläne für den Kirchendienst, Gottesdienst-Livestreams oder beten mit Alexa – die Digitalisierung ist in der Kirche angekommen. Zwar gibt es große Unterschiede zwischen Gemeinden bzw. Kirchenbezirken, was den Fortschritt der Digitalisierung angeht. Aber während der Corona-Pandemie sind viele kirchliche Skeptiker:innen von digitalen Möglichkeiten überzeugt worden.

Trotz dieser großen Fortschritte befindet sich die Kirche weiterhin mitten in der digitalen Transformation. Um diese Transformation voranzutreiben, setzt die Kirche bisher meist auf Projekte. Verschiedene Landeskirchen und auch die EKD haben Fördertöpfe aufgelegt, um solche Projekte zu fördern. Diese dienen vor allem als Leuchttürme. Sie haben eine Vorbildfunktion, fördern die Kreativität und Innovationsfreude in der Kirche und dienen als Experimentierraum.

Aber dieser Fokus auf Projekte führt auch zu einigen Nebenwirkungen, die vor allem jetzt, da die Digitalisierung wirklich in der Kirche angekommen ist, deutlich werden. So verweisen einige Haupt- und Ehrenamtliche in Verantwortung auf die Projekte und sagen: „Wir als Gemeinde oder Kirchenbezirk müssen keine digitalen Gottesdienste anbieten, da es so etwas ja bereits als Projekt gibt“, oder „Ich als Pfarrpersonen habe doch gar nicht die zeitliche Kapazität, so intensiv in den sozialen Medien aktiv zu sein, wie es Kollegen mit einem Stellenanteil für die Arbeit in sozialen Netzwerken haben“. Damit haben sie zwar oft Recht. Aber die Digitalisierung kann mit Projekten nur vorangebracht werden, sie kann nicht allein auf Projekten beruhen. Denn durch die Digitalisierung verändert sich nicht nur die Arbeitsweise einiger, sondern die Arbeitsweise aller. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn wir die heutige Kommunikation eines Ältestenkreises mit der Kommunikation von vor vierzig Jahren vergleichen. Während früher alles nur per Telefon oder Brief oder persönlichem Treffen ging, sind heute Einladungen per Rundmail selbstverständlich und in vielen Gemeinden werden dringende Anliegen auch mal per Messenger geklärt. Dadurch kann viel schneller reagiert werden. Echte Digitalisierung stellt somit einen Kulturwandel dar.

Projekte sind daher nur ein Schritt hin zu einem Kulturwandel. Denn für den Kulturwandel braucht es die Beteiligung aller. Dies macht Kulturwandel so herausfordernd. Dass Kulturwandel die Beteiligung aller braucht, bedeutet im Fall der Digitalisierung übrigens nicht, dass alle plötzlich alles digital machen müssen. Aber es bedeutet, dass Kulturwandel einer grundsätzlichen Offenheit für Veränderung bei allen bedarf. Ein Aspekt einer solchen Offenheit für Veränderung bedeutet, dass es okay ist Fehler zu machen. Dies steigert die Experimentierfreude und damit die Innovationskraft. Entscheidend für den Kulturwandel ist auch Kooperation, da man zusammen oft mehr erreichen kann. Ich finde eine solche Kultur für die Kirche auch über die Digitalisierung hinaus sehr wünschenswert.

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