Klett-Cotta, Stuttgart 2024, 640 Seiten, 42,00 EUR (E-Book 33,99 EUR)
Kennen wir Albrecht Dürer heute, weil er ein Ausnahmekünstler war? Oder ist er uns als Ausnahmekünstler bekannt, weil er es wie kein zweiter verstand, den um seine Werke entstehenden Markt anzukurbeln?
›Beides hängt voneinander ab‹, könnte man nach der Lektüre antworten. Die Frühneuzeithistorikerin Ulinka Rublack untersucht nicht nur Dürers handwerkliches Geschick und seine Kreativität, sondern sein Verhältnis zu den Auftraggebern, seine Selbst-Inszenierung und sein Selbst-Marketing.
Rublack zeichnet in ihrer Betrachtung den Kunsthandel in den Luxusgütermarkt der Frühen Neuzeit ein und liefert en passant erkenntnisreiche Details über das Schaffen des Marktphänomens Dürer. Beim Auftrag des Kaufmanns Jakob Heller zur künstlerischen Gestaltung einer Altartafel verkalkulierte er sich. Dürer und Heller gerieten über die Ausgaben aneinander und Dürer zog daraus eine Lehre: Er sollte fortan seine Kunst hauptsächlich unter ökonomischen Gesichtspunkten schaffen.
Am Beispiel Dürers stellt Rublack die kapitalistische Durchdringung der Kunst dar: „Die Renaissance war ein Zeitalter, in dem in einem neuen globalen Maßstab die Märkte die Kultur schufen und die Kultur umgekehrt die Märkte“ (S. 19). Die von Rublack ausführlich skizzierten etwas mehr als hundert Jahre zwischen dem Tod Dürers und dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs, in denen die Sammlungswut der Oberen ungeahnte Formen angenommen hatte, gehören zur Geschichte des von ökonomischer Ratio getriebenen Künstlers und prägen unser Bild der Zeit.
In Anbetracht heutiger Kritik an der Aufmerksamkeitsökonomie, der Annäherung von künstlerischem Ausdruck an den mainstream, des fehlenden Gespürs für Kunst und Kultur liest sich Rublacks Geschichte der Kunstproduktion Dürers und des frühneuzeitlichen Handelns und Sammelns von Dürer-Kunst erfrischend kulturoptimistisch. Große Kunst entstehen zu lassen, heißt zu wissen, was sich vermarkten lässt. Das gilt für Dürer wie für uns heute.