Stichwort: Gebet

Das Gebet gehört zur christlichen Spiritualität elementar dazu. Dennoch tun sich viele Christen schwer, eine für sie passende Praxis des Gebets zu entwickeln. Hilft denn Beten überhaupt? Und wie finde ich die richtigen Worte?

Warum beten?

„Was bringt das Beten?“, wird oft gefragt. „Es wurde schon zur Zeit Jesu so viel gebetet und es passierte damals genauso wie heute so viel Schreckliches. Das Beten bewirkt nichts und ändert erst recht gar nichts. Krieg und Leiden aller Art scheinen nur schlimmer zu werden als je zuvor.“

Ja, es mag stimmen, das Beten wirkt nicht wie ein Wunder, das alles gut macht. Und um ehrlich zu sein, es scheint mir manchmal so, dass ein Retter die schlimmen Umstände dieser Welt auch nicht einfach so beseitigen kann. Aber geht es darum überhaupt beim Gebet?

Was passiert eigentlich im Gebet?

Was findet im Gebet statt? Die betende Gemeinde wie jeder einzelne Betende öffnet sich im Gebet für Gott und für alle Menschen. Indem ich mich öffne in Wort oder Gedanken, geschieht etwas in und mit mir. Ich verändere mich durch mein Beten. Meine Haltung zu mir selbst nimmt neue Konturen an.

Ich erlebe mich im Gebet als Mensch vor Gott dem Schöpfer, der mich durch und durch kennt und besser durchschaut als mein Mann, meine Mutter, meine engste Freundin und sogar ich selbst. Wenn ich betend vor Gott bin, kann ich mich nicht verstellen. Ich muss mich ansehen, so wie ich bin, und kann lernen, mich anzunehmen und zu lieben, wie Gott mich liebt und annimmt. Sich für den und vor dem liebenden Gott zu öffnen, ist eine Übung, die eine große Ehrlichkeit fordert und zugleich Trost und Stärke verleiht.

Ein Fenster Richtung Gott und Welt

Beten ist eine Glaubenstat. Wenn ich für andere bete, egal ob es um jemand geht, den ich persönlich kenne, oder ob es um Gerechtigkeit allgemein oder um mir unbekannte Leidende geht – wenn ich für andere bete, öffne ich mich und lenke meine Emotionen, mein Mitfühlen auf sie. Ich werde dadurch auch im Alltag aufmerksamer und sensibler für Begegnungen. Dann lasse ich fremde Welten mir nahe kommen und rücke als Person selbst mehr an den Rand.

Beten ist wie ein Fenster Richtung Gott und zugleich Richtung Welt. Der/die Betende bekommt neue Perspektiven und Lichter zu Gesicht, die einen beim regelmäßigen Beten tiefer verändern und umfassender neu strukturieren, als zunächst gedacht. Sogar ein gleichgültiger Abgebrühter kann zum aufmerksamen Suchenden werden.

Weil es Gott gefällt…

Obwohl ich überzeugt bin, dass Beten etwas bewirkt, ist das für mich also nicht der Grund, warum wir beten sollen. Im 1. Timotheus-Brief heißt es: „Zu Beten ist gut und gefällt Gott, unserem Retter, denn er will, dass alle Menschen gerettet werden und dass sie die Wahrheit erkennen“ (1. Tim 2,3-4).

Wir sollen beten, weil es Gott gefällt. Und es gefällt ihm vor allem, wenn wir für alle Menschen beten, weil er alle Menschen liebt. Im Grunde wünscht er sich jeden von uns als ein betendes Gegenüber. Sobald wir frei in Beziehung vor ihm treten, ist dieses kleine Stück Schöpfung in Ordnung. Und das findet Gott gut.

 

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