Berndt Hamm: Spielräume eines Pfarrers vor der Reformation Ulrich Krafft in Ulm

Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Ulm, Anton H. Konrad Verlag, 451 S., 39,80 EUR

Der großformatige Prachtband geht auf seine Initiative zurück. Der Vortrag des Theologen Berndt Hamm aus Anlass des 500-jährigen Bestehens der Ulmer Stadtbücherei hat Alexander Rosenstock elektrisiert. Den stellvertretenden Leiter der Bücherei, der jetzt in den Ruhestand gegangen ist, hat die Idee für eine umfangreiche Publikation nicht mehr losgelassen. Denn der Münsterpfarrer Ulrich Krafft ist weit mehr als der Begründer der Stadtbibliothek. In seinen Predigten zeigt er sich als origineller theologischer Denker. Deshalb ist der Band nicht nur aus dem Blickwinkel der Ulmer Stadtgeschichte interessant, sondern aufgrund der differenzierten Darstellung einer Gedankenwelt am Vorabend der Reformation.

Krafft hatte die von ihm hinterlassene Bibliothek zehn Tage vor seinem Tod am 1. April 1516 testamentarisch der Stadt vermacht. Der 1455 geborene Prediger und Rechtsgelehrte erhielt nach einer Tätigkeit als Rechtsprofessor in Tübingen, Freiburg im Breisgau und Basel zwischen1485 und 1501 auf Lebenszeit das Amt des Stadtpfarrers in Ulm.

Dort ging es ihm nicht nur um Erbauung, sondern auch um wirtschaftsethische Fragen. Krafft wandte sich entschieden gegen Preis- und Zinswucher. Der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch lobt die Darstellung Hamms zurecht als „Gesamtbild der Geistesgeschichte Ulms und des deutschen Südwestens an der Wende zum 16. Jahrhundert“. Der Kirchenhistoriker Hamm beschreibt dies auch für Laien gut verständlich. Er lotet die „Spielräume eines Pfarrers vor der Reformation“ aus, wie der Titel des Buches lautet. Auf die Reformation voraus weist zum Beispiel Kraffts Kritik an der im Spätmittelalter weit verbreiteten Bilderfrömmigkeit. Er lehnt es ab, dass Menschen, verführt durch den Teufel, ein Kultbild wie Gott verehren und es um Gesundheit anbeten.

Das Buch entpuppt sich als Fundgrube dafür, wie sich das theologische Denken aus mittelalterlichen Vorstellungen befreit und Orientierung bietet in einer Zeit des Umbruchs. „Die städtische Reformation hat in vielem auf dem Reform-Impetus von Geistlichen wie dem Pfarrer und Prediger Ulrich Krafft aufgebaut“, erläutert Hamm. Auch Kraffts Konzentration auf Bibelwort und Predigt, sein Leitbild des büchergelehrten, theologisch und humanistisch gebildeten Geistlichen und sein Bemühen um ein verinnerlichtes Glaubensverstehen der Gemeinde sind Reformanliegen, die dann auf veränderter Ebene und innerhalb neuer Koordinaten von der Reformation weitergeführt werden, führt Hamm aus.

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