Beziehungsfrüchte Bibel und Bild

Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit. (Ps 1, 3)

Es gibt Orte, an denen lerne ich das Staunen neu. Weil die Welt dort jung ist und frisch. Das Grün grüner als woanders, die Farben bunter, die Vielfalt reicher. Monets Garten in Giverny ist so ein Ort. Dort steht er, der Baum an Wasserbächen. Und ich staune über so viel Reichtum – uns geschenkt aus reiner Gnade.

So wie in diesem Herbst. Denn sie bringen üppig Frucht, die Bäume an den Wasserläufen des Mains. Haselnüsse, Eichen, Walnüsse – all das fällt mir sozusagen in den Schoß, wenn ich am Wasser entlang laufe. Und ich kann mit vollen Händen schöpfen aus dem Überfluss. Trotz der Dürre des Sommers. Geschenkt aus reiner Gnade.

Und doch ist es nicht nur Gnade. Der Garten in Giverny fällt ja nicht vom Himmel. Es sind Gärtner und Gärtnerinnen da, die ihn bebauen, anpflanzen und bewässern. Die den Boden für die Wurzeln aufbereiten und düngen, wo es nötig ist. Auch die Bäume am Main haben Pflege, Unterstützung. Auch da gibt es Menschen, die sich kümmern, die Zeit und Mühe in sie hineinlegen. Es scheint, als ob es ohne das nicht ginge. Als ob es ohne das keine Früchte gäbe.

Es gibt ein altes Sprichwort: Du wirst ernten, was du gesät hast. Säe ich Tomaten, ernte ich keine Erdbeeren. Und säe ich Blumen aus, dann wachsen dort keine Birnen. Und doch ernte ich nicht immer, was ich säe – manches vertrocknet, wie in diesem Sommer. Und anderes braucht viel Zeit und Mühen, damit es doch noch Frucht bringt.

Aber auch im übertragenen Sinn kann ich säen und ernten. Keine essbaren Früchte – aber Beziehungen. Alle leben wir in Beziehungen. Zu Eltern, Kindern, Freunden. Zu Nachbarn, unseren Partnern. Wir leben in guten, in miserablen, in liebevollen und angespannten Beziehungen. Wir bestellen sie wie einen Garten. Wir stecken Arbeit hinein, wir hegen und pflegen einander. Wir vertrauen, öffnen unser Innerstes. Und erkennen plötzlich, dass unser Vertrauen nicht erwidert wird. Dass wir die harte Schale des anderen nicht durchdringen können. Wir hoffen auf eine gemeinsame Zukunft – um dann alleine gelassen zu werden. Dann trägt nichts von dem, was wir gesät haben, gute Frucht.

Aber es gibt auch die anderen. Die zufälligen Begegnungen, die unser Leben bereichern. Die ungeplanten Übereinstimmungen, die uns Mut geben, weil wir spüren: wir sind nicht allein. Die Menschen, die einfach so da sind. Einfach so kommen – und bleiben. Die uns lieben – und uns dadurch wieder zum Blühen bringen. Die uns vertrauen – und dadurch den Kern unter unserer harten Schale ans Licht bringen. Menschen, die immer wieder an unserer Seite sind – und unsere Zukunft dadurch fruchtbar und reich machen. Das sind die Früchte unserer Beziehungen. Geschenkt aus reiner Gnade.

An ihnen lerne ich das Staunen noch einmal ganz neu. Immer wieder. Jeden Tag.

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