Die Badegäste wollten ihre eigenen Kirchen Ein Besuch in und um Heiligendamm

Vor 225 Jahren entstand das erste Seebad in Kontinentaleuropa – die weiße Stadt am Meer. Das einstige Urlaubsziel von Herzögen und Adeligen ist heute ein mondäner Ferienort, zu dem auch zwei Waldkirchen gehören.

Der Name Heiligendamm deutet auf etwas Frommes hin. Die Legende besagt, dass die Mönche in Doberan bei Sturmflut gebetet hätten und daraufhin der Heilige Damm entstanden sei. Dessen Entstehung ist wohl wirklich einer Sturmflut im 15. Jahrhundert zu verdanken, die das Geröll auftürmte, aber wohl ohne Zutun der Mönche. Wie dem auch sei, an der vier Kilometer langen, etwa 30 Meter breiten und zwischen drei und fünf Meter hohen natürlichen Erhöhung an der Ostsee ist dann 1793 das erste Seebad in Kontinentaleuropa entstanden, mit dem der Tourismus an der Ostsee begann.

Für den aus zahlreichen Fernsehserien bekannten Schauspieler Moritz Lindbergh gehört der Stadtteil von Bad Doberan an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns in der Mecklenburger Bucht zu seinen Lieblingssorten. „Es ist einfach traumhaft da oben“, schwärmte er nach einem Aufenthalt im Seebad, das in diesem Jahr 225 Jahre alt geworden ist.

Vom Treffpunkt des Adels zum Veranstaltungsort des G8-Gipfels

Wegen der besonderen klimatischen Bedingungen war das elegante Seeheilbad schon im 19. Jahrhundert ein mondäner Treffpunkt des Adels und des Großbürgertums. In dieser Zeit entstanden die von der See aus sichtbaren weißen klassizistischen Gebäude in Strandnähe, denen der Ort den Beinamen die „Weiße Stadt am Meer“ verdankt. Nicht zuletzt wegen des atemberaubenden Ausblicks aufs Meer ist das Seebad bis heute ein beliebtes Ziel für Reisende, die ihren Urlaub am Ort selbst oder in der Umgebung verbringen. International bekannt wurde der Ort durch den G8-Gipfel im Jahr 2007.

Die heutige Urlaubsregion liegt zwischen den geschichtsträchtigen Hansestädten Lübeck, Wismar und Rostock. „Romantische Fischerorte mit besonderer Ausstrahlung, alte Bauerndörfer, deren Backsteinkirchen hölzerne Türme haben, wechseln sich ab mit mittelalterlichen Städten“, so wirbt die Tourismusregion um ihre Gäste.

Der Herzog von Mecklenburg als erster Badegast

Die Gründung des ersten deutschen Seebades geht zurück auf den für seine Aphorismen bis heute bekannten Georg Christoph Lichtenberg. Dieser war damals Professor für Mathematik und Physik, als er im Göttinger Jahreskalender für das Jahr 1793 in einem Beitrag über den Nutzen des Badens im Meereswasser die Frage stellte: „Warum hat Deutschland noch kein Seebad?”

Nachdem er den Artikel von Lichtenberg gelesen hatte, ermunterte der Leibarzt des mecklenburgischen Herzogs, Samuel Gottlieb Vogel, seinen Herrn dazu, am „Heiligen Damm“ ein Seebad zu errichten, weil er um die klimatischen Vorzüge dieses Ortes wusste. Er erhielt dann auch den Auftrag dafür. Die Pläne entwarf der Arzt nach dem Vorbild der südenglischen Seebäder und des deutschen Bad Pyrmont. Das erste Badehaus am Heiligen Damm wurde am 21. September 1793 in Betrieb genommen. Die erste Badesaison von 1794 eröffnete dann der Herzog als erster Badegast mit seinem Hofstaat. Zur Finanzierung verkaufte er dem König von Oranien 1.000 Männer für dessen Heer.

Mondän ist der Ferienort mit rund 300 Einwohnern bis heute geblieben, aber nach und nach hat sich in der Region die Tourismusbranche entwickelt, deren Angebote keine Wünsche offen lassen. Von Heiligendamm aus empfehlenswert ist übrigens eine Fahrt mit der denkmalgeschützten Schmalspurbahn „Molli“, die den Ort mit Bad Doberan und Kühlungsborn verbindet.

Doberaner Koster und Waldkirche

Weniger bekannt ist, dass Bad Doberan für kirchengeschichtlich Interessierte besondere Kleinode bereithält. Die Sehenswürdigkeiten gehören zur evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Bad Doberan. Zuallererst ist das Doberaner Münster zu nennen, das durch seine mittelalterliche Pracht beeindruckt. Der mehr als 800 Jahre alte Bau gilt als Prunkstück der Backsteingotik, den jährlich rund 200.000 Menschen besuchen. Schließlich zählt die Kirche zu den wichtigsten mittelalterlichen Bauten Norddeutschlands. Die einstige Klosterkirche aus dem späten 13. Jahrhundert ist das bekannteste Gebäude der Stadt. Als einzigartig gilt die Innenausstattung des Münsters, die zum größten Teil erhalten und deshalb im Original zu besichtigen ist.

In Heiligendamm sind zwei Waldkirchen entstanden. Für die zunehmende Zahl der Gäste wurden eine katholische und eine evangelisch-lutherische Kapelle errichtet. In der 1888 erbauten und heute sanierungsbedürftigen katholischen Herz-Jesu-Kirche finden keine Gottesdienste mehr statt. Das evangelisch-lutherische Pendant wurde erst 1904 im Wald südwestlich des Ortskerns eingeweiht. Die Kapelle besitzt ein dreijochiges Langhaus, einen polygonalen Altarraum und einen quadratischen, asymmetrisch angeordneten Turm. Der Backsteinbau ist nach dem Vorbild mecklenburgischer Dorfkirchen mit Putzblenden, Formsteinen und Glasurziegeln geschmückt.

Die evangelisch-lutherischen Badegäste wollten eine eigene Kirche

Die Kirche hat eine wechselvolle Geschichte. Schon 1888 beschwerten sich die evangelisch-lutherischen Badegäste, dass es für sie keine Kirche in Heiligendamm gebe. Zeitweise fuhr sogar alle 14 Tage auf Anordnung des Großherzogs ein kostenloser Sonderzug mit den Kirchgängern nach Bad Doberan. Im Jahr 1893 schließlich stiftete der Großherzog Friedrich Franz III. 10.000 Mark für den Bau zur Erinnerung an die Gründung des ersten deutschen Seebades 100 Jahre zuvor. 1902 stellte er den Rest der Bausumme und einen Bauplatz am Waldrand, den Spielplatz seiner Kindheit, zur Verfügung. Am 31. Juli 1904 wurde die Kirche feierlich eingeweiht.

Anfang August 1943 fand dann der vorerst letzte Gottesdienst in der evangelischen Kirche statt. Nach einem wahrscheinlichen Notabwurf von Bomben durch britische Flugzeuge war das gesamte Waldgelände um die Kirche voller Blindgänger, niemand konnte gefahrlos zur Kirche gelangen. Erst am 5. August 1951 konnte die in den Nachkriegsjahren völlig ausgeraubte Kirche wieder für Gottesdienste genutzt werden.

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