Im Gegensatz zur unter Christen weit verbreiteten Auffassung ist der christliche Glaube gerade nicht das Naheliegende und Selbstverständliche. Doch dass biblische Botschaften für Menschen unserer Zeit als absurd und als Zumutung erscheinen, sollte nicht dazu verleiten, sie zu verstecken.
Christliche Verkündigung versucht, die biblische Botschaft meist wie einen roten Teppich vor ihrer Zuhörerschaft auszurollen: attraktiv und einladend. Wie bei einer guten Werbebotschaft soll auch die Botschaft des Evangeliums direkt verständlich und unmittelbar eingängig sein, um ihre segensreiche Wirkung zu entfalten. Und in der Tat: Dass Gott alle Menschen liebt, wir nach seinen Geboten leben sollen, er uns unsere Verfehlungen vergibt und uns ein Leben nach dem Tod schenkt – das sind gute Botschaften, die eigentlich kaum Widerspruch hervorrufen können. Was sollte man gegen ein derartiges Angebot dauerhafter Beziehungshygiene mit dem Allerhöchsten vorbringen, vorausgesetzt dass man überhaupt die Existenz eines Gottes zugesteht?
Offensichtlich geht christliche Verkündigung heute weithin davon aus, mit diesen Basis-Wahrheiten aus der Kinderkirche ebenso gut noch bei erwachsenem Predigtpublikum und kirchlicher Laufkundschaft punkten zu können. Also besser keine theologischen Hürden aufbauen, die den Zugang erschweren oder Adressaten abschrecken könnten! Von klassischen theologischen Begriffen wie Sünde, Gericht oder Rechtfertigung, die heutigen Zeitgenossen sauer aufstoßen könnten, solle sich christliche Verkündigung deshalb lieber verabschieden, hört man aus manchen, sich selbst als „progressiv“ verstehenden Kreisen. Weil sie ›der Deutung des Lebens heute‹ nicht mehr dienen oder ›einfach nicht mehr verstanden‹ werden, gehörten sie auf den Alteisenhaufen der Theologie.
Die Mär vom mangelnden Verstehen
Diese Forderungen sind absurd. Wenn man ihnen recht geben würde, dann müsste auch die bundesdeutsche Gesellschaft Begriffe wie Demokratie, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, nur weil eine zunehmende Anzahl von Menschen (siehe die wachsende Wählerschaft der AfD) anscheinend nichts mehr damit anzufangen weiß. Ebenso wenig wie die Eckpfeiler der deutschen Verfassung dürfen tragende Säulen christlicher Theologie einfach eingerissen werden, nur weil es scheinbar immer mehr Menschen gibt, die Probleme damit haben.
Denn wenn Menschen heute Probleme mit Begriffen wie Sünde und Gericht, Gnade und Rechtfertigung haben, dann liegt es nicht daran, dass sie sie nicht verstehen. Im Gegenteil: Die Probleme beginnen gerade dort, wo sie sie verstehen. Denn dann wird klar, dass die biblischen Glaubenssätze im Konflikt mit eigenen zentralen Glaubenssätzen stehen. So kommt es zu existenziellen Zumutungen, denen man sich lieber nicht mehr aussetzen will. Und auch dies kann niemanden, der die Bibel einigermaßen kennt, auch nur im Ansatz überraschen.
1. Der Mensch, ein Sünder vs. „Ich bin gut, das findet sogar Gott!“
Wer die Bibel aufschlägt, erlebt gleich am Anfang eine erste massive Kränkung: Der Mensch, wie er uns dort als unser Spiegelbild vor Augen tritt, ist zwar von Gott gut geschaffen – er taugt aber trotzdem nicht zum Guten. Kaum in der Welt, begehrt er gegen seinen Schöpfer auf (Adam und Eva) und bringt seinen Nächsten um (Kain und Abel). In ihrer Darstellung lässt die Bibel keinen Zweifel daran, dass sie diesen Hang zum Bösen als typisch für alle Menschen ansieht. Dass der Mensch permanent zum Schlechten ausschlägt, erklärt sie mit seinem ureigensten Hang, sich eigene Götter zu schaffen und sich zugleich selbst an die Stelle Gottes zu setzen (vgl. 1. Mose 11,4): Wir schwingen uns selbst zum Herrn (oder zur Herrin) über Gut und Böse, über Leben und Tod auf, weil wir autonom sein und uns nicht als ein von Gott abhängiges Geschöpf verstehen wollen. Diesen Aufstand gegen Gott nennt die Bibel „Sünde“ (vgl. Römer 1,21-23; 3,9ff). Das Böse ist demnach nicht etwas, was uns äußerlich anhängt (wie einzelne schlechte Taten), sondern was uns innerlich durchdringt und beherrscht (vgl. Johannes 8,34).
Die Vorstellung, dass alle Menschen unter der Macht der Sünde stehen und der göttlichen Gnade bedürfen, widerspricht dem modernen Ideal des selbstbestimmten und im Wesentlichen guten Individuums. Eine emanzipatorische und auf Wertschätzung bedachte Pädagogik hat uns gelehrt, dass der Mensch im Kern ein gutes Wesen sei, das allenfalls durch schlechte soziale Einflüsse verderbt wird. Auch wenn wir uns manchmal schlecht benehmen, halten wir uns doch eigentlich für ganz in Ordnung und gerade als Menschen für liebenswerte und mit entsprechender Achtung zu behandelnde Kreaturen. Dieses Selbstbild lässt die Bibel in tausend Stücke zerspringen.
2. Der Mensch als sein eigener Totengräber vs. „Ich bin mein eigener Boss!“
Der Mensch bringt es also nicht fertig, in Frieden mit Gott und seinen Mitmenschen zu leben. Obwohl Gott doch genau dies von ihm erwartet, daran lassen die biblischen Gebote keinen Zweifel. So sieht er sich einem unüberwindlichen Dilemma gegenüber: Er soll gut sein, kann und will aber nicht gut sein – weil er durch und durch böse ist. Wie kann er aus dieser Situation herauskommen?
Der Mensch bringt es nicht fertig, in Frieden mit Gott und seinen Mitmenschen zu leben.
Die Antwort der Bibel ist eindeutig: Er selber kann das gar nicht! Das Gefängnis der Sünde ist vielmehr ein so tiefes Verlies, dass es aus menschlicher Macht keinen Ausweg daraus gibt, sondern dass man darin eigentlich nur verrotten kann (Römer 2,1). Auch diese biblische Zumutung steht offensichtlich quer zu heutigen Idealen wie Autonomie, Resilienz oder Ich-Stärke, die auf den Menschen als aktive Kraft der eigenen Lebensgestaltung setzen. Er selbst soll es sein, der positive Energien entwickelt, um seinem Leben die richtige Richtung zu geben. Aber nach biblischem Verständnis ist der Mensch eben nicht „seines Glückes Schmied“, sondern vielmehr sein eigener Totengräber. Und mit jedem Versuch, sich selbst zum Herrn seines eigenen Lebens aufzuschwingen, statt Gott als dessen Herrn anzuerkennen, gräbt er sein Grab ein kleines Stückchen tiefer.
3. Gott als strafender Richter vs. „Alles nicht so schlimm!“
Das Alte Testament erzählt in weiten Teilen von Gottes Versuchen, die Menschen ihrem Widerstand zum Trotz auf einen guten Weg zurückzubringen. Das zeigt sich daran, wie er seinem erwählten Volk Israel immer wieder nachgeht: Er schickt Mahner und Mentoren in Gestalt der Propheten, auf dass sie umkehren mögen, er bestraft das Volk aber auch, z.T. mit harter Hand. Das Judentum hat dieses Strafhandeln in seinen heiligen Schriften als Folge des eigenen Aufruhrs gegen Gott interpretiert. Gerade weil der an seinem Bund mit Israel festhält und sein erwähltes Volk nicht aufgibt, muss er auch auf den fortgesetzten Abfall zu anderen Göttern reagieren. Dass er menschliche Verfehlungen nicht ignoriert, sondern anhand seiner guten Weisungen gerecht be- und ggf. auch verurteilt, macht seine Macht und Autorität als Richter aus.
Ein Gott, der wie in der Bibel zürnt, richtet, straft und züchtigt, gerät heute freilich in die dunkle Ecke einer „schwarzen Pädagogik“. Dass Gott auch eine solche Seite haben kann, vielleicht haben muss, ist für viele Grund, sich umso mehr von ihm abzuwenden. Wenn Gott, dann möchte man ihn bitte ausschließlich in der Schmuse-Version, als geduldigen Zuhörer und Alles-Versteher, wie eine perfekte Mami oder ein Super-Paps. Aber das Bild, das die Bibel von der „Elternschaft“ Gottes zeichnet, ist gerade nicht das einer „heilen Familie“. Hier begehrt vielmehr das Kind gegen die Eltern in einem Maße auf, dass es selbst den Platz als Familienoberhaupt einnehmen will und danach trachtet, sie dafür aus dem Weg zu räumen. Weil auch der Mensch im Zustand einer solchen permanenten „Kriegserklärung“ gegen Gott lebt, bedarf es der ganzen göttlichen und richterlichen Autorität, ihn vor den schrecklichen Konsequenzen seines eigenen Tuns zu bewahren.
4. Gottes Gerechtigkeit ist seine Gnade vs. „Jedem das, was er verdient!“
Mit dem Auftreten Jesu im Neuen Testament erreicht das biblische Drama einen entscheidenden Wendepunkt: Jesus verkündigt und verkörpert die befreiende Botschaft, dass sich Gott dem Menschen gerade in seiner Rolle als Richter so zuwendet, dass er die vom Menschen zerstörte Gemeinschaft mit seinem Urteil selbst nicht aufkündigt, sondern sie aus eigener Kraft wiederherstellt. Dies zeigt sich beispielhaft in Jesu Gemeinschaft mit den Menschen, die zu seiner Zeit als „Sünder“ abgestempelt waren, wie z.B. Zöllner und Prostituierte (vgl. Markus 2,13-17; Lukas 19; Johannes 8). Jesus wendet sich ihnen bedingungslos zu, verschließt die Augen aber auch nicht vor ihrer Sünde, sondern bringt sie so ans Licht, dass sie auch vom betroffenen Menschen selbst kritisch und selbstkritisch angeschaut werden kann. Nach genau diesem Muster wird die menschliche Sünde nach biblischem Verständnis auch im göttlichen Gericht ans Licht gebracht und von Gott in seinem Richterspruch verurteilt, der Mensch als Sünder aber gleichwohl vor ihren vernichtenden Folgen bewahrt (vgl. 1. Korinther 3,12-15). Die von Gott so geübte Gerechtigkeit ist: seine Gnade (vgl. Römer 3,21ff)! Sie führt – gegen alle menschliche Logik – nicht zu Schuldspruch und Verdammnis, sondern zu einem befreiten Leben als von Gott gerechtfertigter Mensch.
Unser eigenes Selbstverständnis ist, dass wir der Gnade nicht bedürfen.
Schon für die Zeitgenossen Jesu war es eine Zumutung, dass seine Zuwendung in demonstrativer Weise den gesellschaftlich Stigmatisierten galt und nicht denen, die sich durch irgendwelche Ehrenurkunden oder tadellose Führungszeugnisse ausweisen konnten – zumal er diese Menschen gerade als Sünder annahm und nicht als solche, die zuvor schon irgendwie von ihrer Sünde „gereinigt“ worden wären. Auch unser heutiges Verständnis von Gerechtigkeit wird dadurch unterlaufen: Gilt dann Gottes Vergebung für den Mafia-Killer genauso wie für den gefolterten Märtyrer? Noch schlimmer ist allerdings die Zumutung, dass wir uns nun gerade in diesen Menschen nach Jesu Willen selbst vor Gott als Sünder und damit als angewiesen auf seine Vergebung wiedererkennen sollen. Denn unser eigenes Selbstverständnis ist ja gerade, dass wir solcher Gnade gar nicht bedürfen – oder allenfalls als kosmetische Reinigung von einzelnen verzeihlichen Verfehlungen, aber nicht als Erlösung unserer ganzen Existenz. Und genau in diesem Sinne haben wir auch Anteil an der Kreuzigung Jesu. Denn das letzte Mittel, der Gnade Gottes nicht zu bedürfen, besteht darin, diese(n) selbst auszulöschen.
5. Das Heil liegt im Kreuz vs. „Gott hat’s verkackt!“
Die Passion Jesu ist eine Geschichte des dramatischen Scheiterns Gottes. Denn wenn Gott sich vorgenommen haben sollte, in Jesus einen neuen Anfang mit den Menschen auf Erden zu machen, dann ist das so gründlich schief gegangen, wie es nur konnte: Sein Messias wird hinter verschlossenen Türen als schändlicher Gotteslästerer angeklagt und als politischer Aufrührer öffentlich hingerichtet – die Welt will von seiner Vergebungsbotschaft nichts wissen. Ein gut gemeinter Versöhnungsversuch Gottes, der im Fiasko endete! Das kann auch die spätere Auferweckung Jesu, wie sie die Evangelien berichten, nicht überdecken. Sie mag eine Rehabilitierung des göttlichen Gesandten und ein Hoffnungszeichen an seine Anhängerschaft sein – am desaströsen Ausgang seiner Mission ändert das nichts. In Jesus ist Gott mit seinem Angebot der Gnade für die Menschen zugrunde gegangen.
Bis heute ist es die größte Zumutung des Christentums, genau in diesem desaströsen Ende das entscheidende Heilsereignis für die ganze Menschheit zu sehen. Wie soll man das verstehen? – Die prägendste Deutung dafür hat der Apostel Paulus geliefert. Er hat als erster den entscheidenden „Kippmoment“ beschrieben, durch den Gottes Scheitern am Kreuz – wie beim Wechsel der Perspektive auf ein Vexierbild – beim erneuten Betrachten plötzlich einen ganz anderen Sinn ergibt: Gottes Gerechtigkeit kann über das Böse im Menschen nicht einfach hinwegsehen und hinweggehen. Er will den Menschen aber auch nicht die tödlichen Folgen seiner Verfallenheit an das Böse spüren lassen. Also bleibt ihm nur ein Weg: Er muss diese tödlichen Folgen selbst auf sich nehmen, um den Menschen davon zu befreien. Sein Scheitern im Tod Jesu am Kreuz erweist sich in dieser Perspektive plötzlich als Bedingung dafür, dass die von Jesus verkündigte Vergebung auch im göttlichen Gericht gewährt werden kann. Denn für die gnädig vergebene Schuld des Menschen hat Gott selbst bereits bezahlt (vgl. Römer 3,25-26; 2. Korinther 5,19).
Die christliche Deutung des Kreuzes ist keineswegs ein Selbstläufer.
Schon der Apostel Paulus musste allerdings feststellen, dass diese Deutung des Kreuzes keineswegs ein Selbstläufer ist, sondern vielmehr für die einen (nämlich die Juden) „ein Ärgernis“ und für die anderen (nämlich die Heiden) „eine Torheit“ bedeutete (1. Korinther 1,23). Ganz ähnlich betrachten es Menschen auch heute noch entweder als Beleidigung oder als Blödsinn, dass Gott sich selbst in den Abgrund stürzt, um sie aus ihrem Sünderdasein zu erlösen. Eine Zumutung ist es in beiden Fällen.
6. Allein im/aus Glauben vs. „Ich schaffe das selbst!“
Aus biblischer Sicht kann es nicht überraschen, dass die Menschen über die Botschaft vom Kreuz den Kopf schütteln. Denn weder erschließt sie sich von alleine noch durch emsiges Nachdenken. Auch für den Apostel Paulus war sie kein Ergebnis theologischer Studien, sondern der Begegnung mit dem Auferstandenen selbst (vgl. Apostelgeschichte 9). In ihr kippte seine Perspektive auf alle Dinge, sodass seine eigene Existenz und sein Verhältnis zu Gott plötzlich in einem anderen Licht erschienen und sich ihm der Sinn des Kreuzesgeschehens blitzartig erschloss. Und nur so geht es nach biblischem Verständnis auch heute: Nur in der direkten Begegnung mit Gott, in dem von Gott geschenkten Glauben wird der Mensch in die Lage versetzt, das Kreuzesgeschehen so zu verstehen, dass sich sein Heilssinn für ihn selbst erschließt – und dass er sich anschließend selbst als Sünder Gott in die Arme werfen kann. Denn von da aus erkennt er, was er zuvor nicht wahrhaben wollte: seinen eigenen Aufruhr gegen Gott und die damit auf ihm lastende Sünde. Und zugleich im Lichte der Gnade Gottes, dass diese Sünde ihn nicht mehr von Gott trennt und deshalb auch nicht mehr niederdrücken kann.
Die Zumutung in diesem Zusammenhang besteht darin, dass der Mensch zu seinem eigenen Heil nichts beitragen kann, weder durch gute Taten noch durch theologische Schläue (vgl. Römer 3,28). Auch das Geheimnis der Erlösung, wie sie im Kreuz geschehen ist, muss ihm zwangsläufig verborgen bleiben, solange er nicht vom Licht des Glaubens erleuchtet wird. Dieses Glaubenslicht wiederum kann er aber nicht selbst anzünden. Wann und bei wem dies geschieht, liegt vielmehr in Gottes Unverfügbarkeit. Für Menschen unserer Tage, für die Selbstwirksamkeit und Autonomie zu den kostbarsten Kronjuwelen gehören, könnte eine Zumutung kaum größer ausfallen.
7. Du musst dein Leben ändern vs. „Ist doch alles bingo!“
Die letzte Zumutung, die die symbolische Siebenerzahl voll macht, besteht darin, dass sich für Christenmenschen im Licht des Glaubens zwar die ganze Welt verändert, sie jedoch zugleich Bürger:innen der vorhandenen Welt bleiben. Als solche sind auch sie nicht vor dem täglichen Rückfall in den Wahn gefeit, doch eigentlich schon aus eigener Kraft ganz prima Typen zu sein. Denn auch als Gerechtfertigte sind sie keine besseren Menschen, sondern bleiben allzumal Sünder. So ist auch der Glaube nichts, was Christenmenschen ein für allemal festhalten könnten, sondern etwas, was auch sie sich täglich neu schenken lassen müssen. Das Geheimnis der göttlichen Gnade muss auch von ihnen immer neu entdeckt werden. Wer es erfährt, der weiß sich freilich aufgefordert, dies auch in seinem Leben in dieser Welt wirksam werden zu lassen. Wo Christenmenschen im Lichte des Glaubens auf diese Welt und ihren Platz darin blicken, vernehmen sie deshalb immer neu den Aufruf Jesu: Kehrt um und glaubt an das Evangelium! (Markus 1,15).
Conclusio
Es gibt Formen der Elementarisierung, die eher zur Entstellung als zur Erhellung beitragen. Dies gilt auch für jene Teile der christlichen Verkündigung, die lieber weichgespülte Wohlfühlbotschaften unter die Leute bringen, als sich an gedanklichen und existenziellen Herausforderungen des christlichen Glaubens abzuarbeiten. Wer sich ernsthaft mit der Bibel auseinandersetzt und ihrer Botschaft nachspürt, weiß allerdings: Ein Leben mit Gott nach ihrer Einladung zu führen, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Zwar ist das biblische Evangelium zweifellos eine ermutigende und frohmachende Botschaft. Diese erschließt sich gerade in ihrer befreienden Wirkung aber nur, wenn man bereit ist, auch ihre herausfordernden und verstörenden Seiten an- und ernst zu nehmen. Dabei soll nicht übersehen werden, dass das Bild des Menschen als Sünder über Jahrhunderte hinweg zur Machtausübung missbraucht wurde und viele Menschen klein gemacht und klein gehalten hat. Das ändert aber nichts daran, dass es für jede christliche Theologie maßgeblich bleiben muss.
Dass Essentials der christlichen Verkündigung bei Menschen von heute auf Ablehnung stoßen, kann ob der zahlreichen Zumutungen, die sie bereithalten, nicht überraschen. Statt die Botschaft der Bibel in wenigen glattgebügelten Sätzen zu banalisieren, sollte christliche Verkündigung sich trotzdem gerade damit auseinandersetzen – selbst wenn dies vielleicht eher einer anstrengenden Gebirgswanderung gleicht als einem Tanz auf dem roten Teppich.
In der Druckausgabe erschien eine gekürzte Fassung dieses Beitrags.