Und Gott führte Abram aus dem Zelt und sagte: »Sieh hinauf zu den Sternen am Himmel! Kannst du sie zählen? So unzählbar werden deine Nachkommen sein.« (Gen 15,5)
La Palma ist eine kleine kanarische Insel mit einer beeindruckenden Natur: Schwarze Strände, Vulkane, bis zu 2500 Meter hohe Berge, Schluchten und Aussichtspunkte, von denen man einen besonders guten Blick in den Nachthimmel hat. Als ich dort im Urlaub war, habe ich mich an einem Abend auf den Weg gemacht. Mit dem Auto bin ich über serpentinenartige Wege hoch in die Berge gefahren. Irgendwann hielt ich mitten in der Dunkelheit an einem Parkplatz. Auf der Aussichtsplattform hielt ein Guide gerade umringt von Menschen einen Vortrag über den Nachthimmel. Er erzählte vom Großen Bären, vom Großen Wagen, vom Schützen und vom Skorpion. Und dann schaute auch ich nach oben in den Nachthimmel. Es war unglaublich. Unzählig viele Sterne waren dort zu sehen.
Auch in dem oben zitierten Vers ist von einem Sternenhimmel die Rede. In der biblischen Geschichte bedeutete der Blick in den Nachthimmel für Abraham die Gewissheit, Gott schenkt Nachkommen und Zukunft. Mit dieser Verheißung begegnet Gott Abrahams innerster Sorge und seiner tiefsten Angst: Dass nichts von ihm bleibt, dass er keine Zukunft hat, dass sich niemand um ihn kümmert, wenn er nicht mehr kann, und dass keiner mehr an ihn denkt, wenn er nicht mehr ist. Dass er einfach vergessen ist.
Wir haben heute vielleicht andere Sorgen und doch irgendwie auch ähnliche. Diese Sorgen können zu einer tiefen Besorgnis werden. Ein Gedanken-Karussell entsteht, aus dem wir selbst keinen Ausweg mehr finden. Wir verlieren den Mut und das Vertrauen in die Zukunft. Vor allem nachts in der Dunkelheit kreisen die Gedanken: Habe ich richtig entschieden? Hätte ich etwas anders machen können? Warum habe ich nicht? Wäre ich doch… Man kann sich darin verlieren, in diesen Fragen, Sorgen und Ängsten. Aber sie ändern nichts an der Situation. Sie vermitteln eher ein Gefühl der Aussichtslosigkeit und der Ohnmacht – mitten in der Dunkelheit.
In der biblischen Geschichte in Genesis 15 begegnet Gott Abraham mitten in der Dunkelheit. In die Kälte und Stille der Nacht spricht Gott zu ihm: „Sieh in den Himmel“. Und Abraham lässt sich aus der Aussichtslosigkeit herausziehen. Seine Blickrichtung verändert sich, weg von sich selbst. Er blickt hinauf in die Sterne und sieht diese unendliche Weite. Er träumt sich nicht in eine andere Wirklichkeit, in eine schöne rosarote Welt, sondern erhält einen anderen Blickwinkel aufs Hier und Jetzt. Die Enge und die Begrenztheit seiner Möglichkeiten werden geweitet.
Für uns heute haben die Weite des Nachthimmels und das Licht der vielen Sterne möglicherweise ganz andere Bedeutungen als für Abraham – aber sie können genauso wie für ihn zu großen Hoffnungszeichen werden. Sie weisen auf die Kraft des Schöpfers des Himmels und der Erde hin. Eine Kraft, die so unendlich groß ist, dass ich sie im Blick auf die Weite des Universums nur erahnen kann.