Kunst von besonderen Menschen Sammlung Würth präsentiert regelmäßig Werke von Menschen mit Behinderung

Auch in einer Kunstsammlung kann sich integratives Engagement niederschlagen. Deshalb lohnt sich ein Ausflug nach Hohenlohe. Mit den Würth-Museen in Künzelsau und Schwäbisch Hall verfügt die Region über Attraktionen und kann mit besonderen Ausstellungen aufwarten.

Das hat es noch nie gegeben: Rund 1400 Besucherinnen und Besucher bei einer Ausstellungseröffnung. Überrannt wurde das Museum Würth 2 in Künzelsau im Hohenlohekreis des weltweit agierenden Schraubenhändlers. Der Blick von ganz Deutschland, zumindest des kunstinteressierten Teils, richtet sich zurzeit nach Baden-Württemberg. Alle wollen die Ausstellung mit Werken von David Hockney sehen.

Zum ersten Mal in Deutschland wird hier das spektakuläre 90 Meter lange, auf einem iPad entstandene Fries unter dem Motto „A Year in Normandie“ gezeigt. Ein Jahr lang hat der britische Künstler die Natur beobachtet und auf aneinander gefügten Blättern in leuchtenden Farben die jahreszeitlichen Veränderungen festgehalten. Die Schau ist bis zum 3. September zu sehen. Im Foyer werden zeitgleich Bilder von Georg Baselitz aus Anlass des 85. Geburtstags des Künstlers gezeigt.

Integratives Konzept

Parallel dazu sind im nebenan liegenden Museum bis zum 17. September im Verwaltungsgebäude Werke zu sehen, die bisher nicht im Fokus des Kunstgeschehens standen. Sie gehen vielmehr auf das Engagement von Carmen Würth für behinderte Menschen zurück. Deren Integration ist für Carmen Würth, die Frau des Schraubenmilliardärs Reinhold Würth, eine Herzensangelegenheit.

Aufgrund von Erfahrungen in der eigenen Familie betreibt sie in Künzelsau ein Hotel mit integrativem Konzept, in dem Menschen mit und ohne Behinderung seit Jahren zusammenarbeiten. Es ist ein Konzept, das über die Landesgrenzen hinaus Interessierte nach Künzelsau lockt. Zur Kunstsammlung Würth gehören Werke von Menschen mit Behinderung, die regelmäßig gezeigt werden.

Neben der Intensität der Farben ist es die unbändige Kreativität, die in den Werken der aktuellen Ausstellung im Museum Würth in Künzelsau zum Ausdruck kommt. Die Originalität der künstlerischen Ideen führt in der Schau mit dem Titel „Fähigkeiten! Kunst von besonderen Menschen in der Sammlung Würth“ zu frappierenden Ergebnissen. So benötigt Ronald Saladin nur einen Kugelschreiber, um mit einem verwirrenden Geflecht Assoziationen wachzurufen an eine immer unübersichtlicher werdende Welt.

Mit etwa 140 Bildern, Zeichnungen und Objekten von rund 50 Künstlerinnen und Künstler zeigt das Museum Würth die bislang größte Präsentation von Menschen mit Assistenzbedarf. Die meisten Arbeiten sind nach Angaben von Kuratorin Kirsten Fiege in kreativen Werkstätten unter dem Dach von Einrichtungen wie der Diakonie Stetten oder der Bruderhaus Diakonie in Baden-Württemberg entstanden. Zu den Vorreitern gehört laut Fiege das Frankfurter Atelier Goldstein, dessen Konzept auf der Überzeugung beruht, dass Menschen mit Beeinträchtigung in der Lage sind, bedeutende Werke der zeitgenössischen Kunst zu schaffen.

Mehr als 450 Werke von über 125 Kunstschaffenden

Mit der 2019 verstorbenen Christa Sauer ist eine der renommiertesten Künstlerinnen des Ateliers in der Ausstellung vertreten. In großformatigen Arbeiten verwebt sie bunte Kreise zu faszinierenden Bildteppichen. Genauso wie Pedro Gonzales mit seiner kuhartigen Skulptur entführt sie in phantastische Welten. Uwe Kächele schafft leuchtende, lebensfrohe Bilder mit impressionistischen Anklängen, in denen er mit farbigen Fingerabdrücken einen besonderen Raumeindruck hervorruft.

Zu Weltruhm hat es Roland Kappel als Chef der fiktiven Firma „RK Baumission“ gebracht. Er baut aus Metallresten funktionierende Baumaschinen aus dem Gedächtnis nach als Miniatur, wie den in der Schau ausgestellten Baukran. Mit den Materialcollagen von Marcus Weber sind auch Werke eines Künzelsauer Künstlers vertreten, der im von Würth betriebenen Restaurant Handicap beschäftigt ist.

Immer noch werde den Menschen mit Beeinträchtigung im „normalen“ Kunstbetrieb eine Sonderrolle zugeschrieben, bedauert Sylvia Weber, Geschäftsbereichsleiterin Kunst und Kultur bei Würth. Die Ausstellung hebt auf deren Fähigkeiten ab und leistet einen Beitrag dazu, Menschen mit Handicap künftig gleichberechtigt zu integrieren. Die Kunst von besonderen Menschen ist auf Initiative von Carmen und Reinhold Würth seit den 90er Jahren selbstverständlicher Teil der Sammlung Würth mit inzwischen mehr als 450 Werken von über 125 Kunstschaffenden.

Blumenkunst und Pflanzengeheimnisse

Im nahegelegenen Schwäbisch Hall ist in der Kunsthalle Würth eine weitere spannende Ausstellung zu sehen. Hier blüht es nicht nur auf den Leinwänden, sondern auch in der Realität. In einer Vitrine wachsen Gewürze, und der Japaner Azuma Makoto hat eine Pflanzenskulptur aus frischen Blumen und Samen geschaffen, die sich während der Laufzeit der Ausstellung ständig verändert. Der Blumenkünstler macht mit seinen ungewöhnlichen Kreationen weltweit Furore.

Hommage a Monet von Alex Katz und traditionelle japanische Korbflechterei
Kontraste: Hommage a Monet von Alex Katz und traditionelle japanische Korbflechterei (Foto: Rainer Lang)

Die antike Göttin Flora ist die Leitfigur der aktuellen Ausstellung. Die Darstellung der jungen Frau mit Blumen und Blüten im Haar ist der Ausgangspunkt für eine phantastische Reise durch die „Pflanzengeheimnisse in der Sammlung Würth“. Unter dem Motto „Rosenrot, Grasgrün, Quittengelb“ sind bis zum 5. November rund 170 Werke von rund 70 modernen und zeitgenössischen Künstlern zu sehen.

Da die Ausstellungen ständig wechseln, lohnt sich immer ein Besuch. Die Museen sind ganzjährig bei freiem Eintritt täglich geöffnet. Diesen niederschwelligen Ansatz, der jedem einen Museumsbesuch ermöglicht, hat auch der baden-württembergische Kunststaatssekretär Arne Braun bei seinem Besuch vor kurzem als bemerkenswert bezeichnet. Für den Grünen ist dies für die Region auch aus touristischem Blickwinkel ein Gewinn: Urlauber entscheiden sich nicht zuletzt wegen der attraktiven Museen von Würth verbunden mit einer reizvollen Landschaft für Hohenlohe. Das Unternehmen zeigt auch alte Meister und die Geschichte der Schraubenproduktion im Kochertal. Weitere Informationen unter www.kunst.wuerth.com.

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