C.H.Beck, München 2024, 704 S., 44,00 EUR
Was haben unsere Vorfahren in der Zeit des Nationalsozialismus getan? Wie standen sie zu diesem verbrecherischen Regime? – Diese Fragen beschäftigen im übertragenen Sinne auch viele Bereiche des öffentlichen Lebens. Für den Wissenschaftsbetrieb gewährt der Berliner Historiker Michael Grüttner nun tiefe Einblicke.
Zunächst geht er dabei chronologisch vor, indem er die Vorgeschichte der Universitäten in der Weimarer Republik und die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Wissenschaftssystem behandelt. Anschließend zeigt er dann stärker systematisch orientiert auf, wodurch sich die NS‑Hochschulpolitik auszeichnete und was für Auswirkungen mit Blick auf die Universitäten als Institutionen, die dort Tätigen und einzelne Fächer(gruppen) zu beobachten sind. Die Ergebnisse bündelt er in einem prägnanten Schlusskapitel, dem noch ein Epilog zum Umgang der Wissenschaft mit ihrer eigenen NS-Vergangenheit seit 1945 folgt.
Für einen ersten Überblick zum Thema ist die über 700-seitige Monographie wohl etwas zu ausführlich. Sie tut damit aber letztlich genau das, was sie verspricht, nämlich als – sehr angenehm zu lesende – Gesamtdarstellung das Thema sowohl in seiner ganzen Breite als auch einiger Tiefe zu erkunden und so ein verlässliches Bild vom großen Ganzen zu zeichnen. Das fördert viel Spannendes zutage, z.B. über die Abgründe der Vertreibung v.a. jüdischer Gelehrter, deren Nutznießer und Kritiker, über die Widersprüchlichkeit von politischen und wissenschaftlichen Zielen, über das Ideal des Führertums und die Realität endloser Kompetenzrangeleien.