Osterlachen und das Wort vom Kreuz Freude als die erste Konsequenz des Christentums

Die Botschaft des Gekreuzigten atmet stille Freude. Für Paulus und das neue Testament ist das Kreuz Symbol erfüllter Lebenszugewandtheit und Grund für einen veränderten Umgang mit der Mitwelt; von dösiger Langeweile hört man wenig.

Das Osterlachen ist eine schöne Tradition. Es animiert dazu, am Ostermorgen den Widerwärtigkeiten der Welt ins Gesicht zu lachen: Ärger, Jammer, leere Zahnpasta – ihr könnt mir gar nichts. Selbst schweres Leiden, Not und Tod: Ihr seid überwunden! Ostern feiern wir den Sieg des Lebens. Wer sollte da nicht lachen…

Auch der Apostel Paulus hat daran helle Freude, den Übeln der Zeit eine lange Nase zu drehen. Sie feierlich zu Spott zu machen. „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?“ (1Kor 15,55). Leiden und Tod ist der Stachel gezogen: Es hat nichts mehr auf die Waagschale zu legen.

Freude und das Wort vom Kreuz

Tatsächlich geht von der Nachricht vom Kreuz in den Urgemeinden eine wirkliche Dynamik aus. Für Paulus ist sie eine Kraft: griechisch dynamis. Zu ihrer Dynamik gehört nicht nur Freude, weltüberwindende Gewissheit, innere Geborgenheit und Hoffnung. Sondern sie bringt auch im Handeln, in der aktiven Weltgestaltung eine Verhaltensänderung mit sich. Wie wir noch sehen werden, ist diese freudevolle Wesensänderung typisch für das Wirken des Paulus von den ersten Anfängen seiner Aposteltätigkeit. Es gehört zum innersten Kern paulinischer Theologie.

Freude ist ein Kennzeichen des Glaubens! Nach Paulus ist das Reich Gottes Freude. So schreibt er am Schluss des Römerbriefes. Kreuzestheologie wirkt aufmunternd, durchaus gute Laune, jedenfalls Fröhlichkeit verbreitend: Sie ist von Grund auf frohmachend und schon dadurch weltverändernd.

Eine besondere Dynamik

Weil das Wort vom Kreuz eine Kraft Gottes ist (1Kor 1,18), enthält es nach Paulus die Fähigkeit, vieles von Grund auf umzuwälzen. Wir kennen den Begriff vom Dynamit… Worin besteht diese Fähigkeit? Darin zu zeigen: Wie Gott in der Welt wirkt; darin zu zeigen: Dass Gott in der Welt wirkt. Und sie besteht darin zu zeigen, dass beides, das Wie und das Dass, für uns zum Besten dient.

Die Nachricht vom Kreuz, das Kreuzesgeschehen, macht alles zunichte, „was etwas ist“, schreibt Paulus. Das Imponieren-wollen, das sich künstlich Aufplustern hat Gott nicht nötig. Gott wählt, Gott genügt schon, das was nichts ist (Vers 28). Darin zeigt und erweist er sich als Gott. Darin besteht sein (schöpferisches) Gott-Sein.

Das Kreuz gibt etwas zu erkennen.

Alles, was etwas ist oder (auch nur) etwas sein will, zerschellt für Paulus an diesem „Stein des Anstoßes“. Die üblichen Gottesbilder zerbrechen. Die gehegten Erwartungen; die eigenmächtigen Deutungen, dass Gott doch so oder so sein müsse; das Gott-Vorgaben-machen-wollen, wie er jetzt wirken oder dann handeln solle. All dies erfüllt sich nicht…

Weisheit und Kreuz

Auch deshalb ist das Wort vom Kreuz für Paulus eine theologisch kaum auslotbare Weisheit. Denn sie zeigt dem Menschen, wie Gott in Wahrheit ist, wie er in dieser Welt wirkt. Sie leitet zur Erkenntnis Gottes an, lehrt Gottes Wirkweise zu kennen. Sie führt in Gottes Innerstes, sein Wesen.

Das theologische Reden vom Kreuz führt in die Tiefen von Gottes Wesen. Es ist eine „verborgene Weisheit“. Eine Weisheit, die nur zu sehen und zu erkennen ist, indem die Augen auf eine geistvolle Weise (neu) geöffnet werden. Sie ist darum immer mit dem Empfang von Gottes Geist verbunden. Schaut man auf das Irdische, auf das, was vor Augen ist, bleibt sie verborgen und verschlossen. („Der irdische Mensch erkennt davon nichts“ – und kann es auch nicht.) Wer auf das Irdische sieht, wird auch nur Irdisches erkennen. Für das theologisch sehende Auge aber ist es echte Weisheit, bedeutet es Erlösung (von so vielen Fragen), Freude, inneren Frieden und löst folglich herzliches Osterlachen aus. Beim Kreuz allein ist es (ja) nicht geblieben. Es folgt etwas darauf…

Die Chronologie der Paulusbriefe als eine Einleitung

Doch bleiben wir noch einen Moment bei der Botschaft des Kreuzes. Eine Hilfe, um der Theologie des Kreuzes nachzuspüren, kann es sein, der Chronologie der Paulusbriefe nachzugehen. Im Großen und Ganzen ist die Reihenfolge der wichtigsten Briefe klar und unumstritten: Der zeitlich früheste ist der 1. Thessalonicherbrief, um das Jahr 50. Nach diesem entstanden sind der 1. und der 2. Korintherbrief ab ca. 53. Als der reifste und zeitlich späte ragt – auch im Umfang – der Römerbrief heraus, um 55/56. Zwischen diesen ist der Galaterbrief anzusiedeln. Und wohl ebenso der Philipperbrief (oder dieser nach dem Römerbrief).

Folgt man der Chronologie, fällt auf: Der starke Einsatz mit dem Wort vom Kreuz im 1. Kapitel des 1. Korintherbriefes, steht schwergewichtig schon am Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit des Apostels Paulus. Bereits das zeitlich zweite Dokument, das wir von ihm haben, führt die Thematik in den vier Eingangskapiteln (1Kor 1-4) ausführlich aus. Sie ist ebenso namhaft präsent im zeitlich benachbarten Galaterbrief (z.B. Gal 3). Und natürlich krönend im theologischen Vermächtnis seines Römerbriefs.

Sachlich entspricht dies exakt der Beobachtung, dass man die Evangelien als „Passionsgeschichten mit langer Einleitung“ – so die oft zitierte Charakterisierung Martin Kählers – ansehen kann: Alle vier Evangelien gipfeln in der Beschreibung von Tod und Auferstehung (auf die sie mehr oder weniger deutlich von Beginn an zulaufen und vorausweisen); vorgeschaltet ist jeweils die Beschreibung des Lebens und der Wirksamkeit des Protagonisten.

Das Wort des Gekreuzigten

Spannend ist nun zu sehen, dass sogar die ersten Zeilen des Christentums: das erste schriftliche Zeugnis überhaupt, das wir von der Christenheit haben (!), voll ist von Osterlachen, voll von angewandter Kreuzestheologie, voller „Wort vom Kreuz“ und voller Wort-Dynamik. Denn schon der 1. Thessalonicherbrief, der ja nicht nur der erste Brief des Paulus ist, sondern eben auch die früheste Schrift im Neuen Testament und so das erste schriftliche Zeugnis christlicher Existenz insgesamt, beginnt im 1. Kapitel mit Hinweis auf die Auferweckung und den Ostertag, – nebenbei begegnet schon hier der später prominent ausgearbeitete Dreiklang von „Glaube, Hoffnung, Liebe“ (Vers 3) –, und ausdrücklich und betont wird auf die Freude (!) abgehoben, die der von Osterfreude erfüllte Geist den Thessalonichern bei der Gemeindegründung durch Paulus kraftvoll mitteilte und gibt. Nicht zufällig kann Paulus die Angesprochenen am Briefende dann entlassen mit einem Hinweis auf den „Gott des Friedens“.

Und auch dies entspricht exakt der sachlichen und inhaltlichen Struktur der Evangelien, wenn dort das Wort des Gekreuzigten am Ostermorgen heißt: „Friede sei mit euch“ und „Fürchtet euch nicht“…

Das Kreuz ist etwas Positives

Manche denken beim Wort vom Kreuz (gr.: logos tou staurou) zuerst an Negatives, etwas, das Ärger macht. Das ist es in mancher Hinsicht auch, und soll es sein. Paulus aber ist es zugleich etwas durch und durch Positives! (Wenn und) weil es von dessen Ende her betrachtet wird… Weil es theologisch gedeutet: Friede bedeutet, und voller Hoffnung ist. Weil es Symbol für den Sieg des Lebens über die Todeswelt ist – weil es zur Osterfreude führt.

Neutestamentlich steht das Kreuz nicht zuletzt, oft aber zu wenig bedacht, für Frieden und für Gerechtigkeit. Was sich in vielerlei Hinsicht theologisch, exegetisch aber auch ganz lebenspraktisch-ethisch aufzeigen lässt. Theologisch-systematisch gesehen steht es natürlich auch für Freiheit: Weil der Mensch dadurch frei wird von so vielem – das ist aber schon indirekt und abgeleitet; gewissermaßen eine sekundäre Konsequenz.

Das Wort vom Kreuz begründet eine neue Existenz. Es findet ganz real und realistisch eine Wesensänderung statt. Ist jemand in diesem Ereignis, „ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“, sagt Paulus, „das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.“ Beim erneuerten Menschen wird daher nicht mehr nach Herkunft gefragt (Jude oder Grieche), nach Status (versklavt oder frei), nach männlich oder weiblich (Gal 3,28; 1Kor 12,13), sondern es gilt: eine „neue Schöpfung“ (Gal 6,14f).

Die Botschaft des Kreuzes ist: Friede sei mit euch.

Gerade auch im Philipperbrief, den manche als den Schlusspunkt paulinischen Schreibens sehen, oder der zeitlich in die Nähe der Korintherbriefe gehört, begegnet beides: Betonung der Freude, und die theologische Thematisierung, sogar hymnologische Rede vom Kreuz. Paulus demonstriert darin seiner Gemeinde, dass Gott in der Welt wirkt: Die Wirkweise des Kreuzes zeigt, wie dies geschieht, und dass dies in einer auf diese Weise erneuerten Existenz nur wohltuend sein kann und innere Freude stiftend ist. Und so taucht im Philipperbrief auch der „Gott des Friedens“ wieder auf. Selbst an allem Irdischen und an der Welt in bestimmter Weise zu verzweifeln, ist demnach etwas Positives, es ist heilsam und ernüchternd; es ist notwendig, und setzt den Blick für Gottes Wesen frei. „Alles Irdische vergehet“: Sollt ich mich bemühn um Sachen, die nur Sorg und Unruh machen und ganz unbeständig sind? Nein, ich will nach Gütern ringen, die mir wahre Ruhe bringen, die man in der Welt find’t, meint ein bekanntes Kirchenlied.

Symbolik des Kreuzes

Als in einem Bundesland über das Aufhängen des Kreuzes in öffentlichen Gebäuden debattiert wurde (56 Prozent der Befragten waren damals laut Umfragen dafür), erschien in einer überregional erscheinenden Zeitung eine Bilder-Serie ausgesuchter Kruzifixe – manche waren der Ansicht, schon allein dafür habe die Debatte sich gelohnt. Der Variantenreichtum in den Darstellungen, die künstlerisch vielseitigsten Bearbeitungen: Das Kreuz hat zahllose auch ästhetisch anspruchsvolle Auseinandersetzungen mit einem der zentralen Themen menschlicher Existenz hervorgebracht. Über die Jahrhunderte hat sich dabei das Symbol des Kreuzes mit einer Vielzahl an Bedeutungskomponenten weiter angereichert. Neben den zahlreichen Aspekten, die heute mit der Kreuz-Symbolik verbunden sind, wie die Beschäftigung mit der Verletzlichkeit des Menschen („Ecce Homo“), die Auseinandersetzung mit seiner Hinfälligkeit, mit Tod und Leiden, die auch philosophisch und unter juristischen Gesichtspunkten geführt werden kann, steht auch die theologische Füllung als Zeichen des Friedens, sich hingebender Liebe, der Todes-Überwindung und – der Freude.

Das Wort vom Kreuz in der Theologie

Theologisch gesehen ist das Kreuz (u.a.) ein Erkenntnisprinzip der Gottheit Gottes: Gott ist darin Gott, dass er „nichts braucht“, um etwas zu schaffen. Das Wort vom Kreuz kann in der Theologie immer wieder dazu führen und dazu anleiten, kritisch zu hinterfragen, wo etwas etwas sein will, das eigentlich: gar nichts ist; nichts sein sollte, oder das zumindest mal wieder über sich lachen lernen sollte.

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