Geschichten von Held:innen, die ihre eigene Stimme entdecken und sich gegen den konventionellen Perfektionismus ihrer Gesellschaft stellen, haben schon immer für große Faszination gesorgt.
In den letzten Jahren haben Filme wie Barbie oder das Musical Wicked ihr Publikum begeistert. Dass dem so ist, ist gerade im Anbetracht des immer größer werdenden Perfektionsdrangs – vor allem in den sozialen Netzwerken – keine Überraschung. Den Narrativen, Bildern und Videos der sozialen Medien folgend, ist ein Großteil der Menschen dort äußerst schön, erfolgreich und vor allem perfekt. Die dort dargestellten Welten erinnern an die perfekte rosa Welt von Barbie oder die glänzende Smaragdstadt in Wicked. Schlechte Tage und Misserfolge scheint es kaum zu geben.
Dass die sozialen Netzwerke so funktionieren, ist keine große Neuigkeit. Schon lange ist bekannt, wie schädlich der ständige Vergleich mit scheinbar perfekten Menschen auch für die psychische Gesundheit ist. Er führt zu Neid und dazu, dass man sich für seine Schwächen schämt. Manche Menschen ziehen sich deshalb regelrecht aus der Gesellschaft zurück, vereinsamen oder/und entwickeln Depressionen.
Dabei ist den meisten Menschen bewusst, dass es sich dabei in der Regel um eine aufgesetzte Fassade handelt. Vieles versteckt sich so hinter Filtern wie der Zauberer von Oz hinter seinem mechanischen Kopf. Kein Mensch ist perfekt. Wir Menschen sind keine Barbiepuppen aus Plastik, die immer das perfekte Lächeln auf den Lippen haben und immer erfolgreich sind. Dennoch spiegeln diese perfekten Selbstdarstellungen uns unsere eigenen Verfehlungen wider. Vielleicht ist der Perfektionsdrang der sozialen Netzwerke aber weniger eine narzisstische Selbstdarstellung als vielmehr ein Versuch, von der eigenen Fehlbarkeit abzulenken. Verpackt in erfolgreichem Storytelling. Denn der Wunsch nach Perfektion und der äußerliche Druck sind groß. Er hat eigentlich schon immer existiert. Aber in unserer medialen Gesellschaft ist es schwer, sich dem zu entziehen.
In Momenten, in denen ich an mir selbst und meinen eigenen bisherigen Erfolgen zweifle, hilft es mir, mich an die befreiende Erkenntnis, dass Gott uns bedingungslos liebt, zu erinnern. Nicht umsonst hat Martin Luther dies als Tor zum Paradies bezeichnet. Ähnlich geht es mir mit dem Gebot der Nächstenliebe. Häufig bringen wir es nur mit der Liebe zum Nächsten in Verbindung und vergessen: „wie dich selbst“. Das schließt ja auch die Liebe zu mir ein. Ich selbst bin ein geliebtes Geschöpf Gottes. Ein Teil der Schöpfung, die Gott als „gut“ bezeichnet hat, und ich soll mich als dieses lieben. Ich selbst erwarte auch von anderen Menschen keinen Perfektionismus. Warum sollte ich mich dann nicht selbst so lieben, wie ich bin? Warum kann ich mit mir selbst nicht etwas nachsichtiger sein? Die Erkenntnis, dass ich selbst einen Wert habe, ist wie ein riesengroßer Befreiungsschlag. Deswegen werden auch popkulturelle Lieder wie „Defying Gravity“ aus dem Musical Wicked geradezu zu Hymnen.
Gott erwartet keinen Perfektionismus. Er blickt durch jede noch so geschickt aufgebaute Scheinwelt und sieht unser wahres Ich. Durch die christliche Botschaft haben wir eine Möglichkeit, uns und andere immer wieder daran zu erinnern, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind, die keinen Perfektionismus braucht. Stattdessen hilft sie uns, unsere eigenen Held:innen zu werden und uns von dem Drang des ständigen Perfektionismus der medialen Plastikwelt zu befreien.