Stichwort: Fantasie und KI Potential für Schöpfung und Zerstörung

Schon vor 20 Jahren war das Thema Fantasie und Medien ein Fall für die Polizeischulen. Haben Computerspiele, in denen vor allem geschossen und getötet wird, einen Einfluss auf Jugendliche, diese Eindrücke aus der Spielewelt in gewalttätiges Verhalten ihrer Lebenswirklichkeit zu übertragen und so z.B. zu Amoktätern in einer Schule zu werden? Ein direkter Zusammenhang lässt sich nicht nachweisen.

Heute ist der Umgang mit digitalen Medien in allen Altersgruppen entspannter und selbstverständlicher geworden. Der 85-jährige Maler David Hockney hat sein jüngstes großes Werk „A Year in Normandie“, das in diesem Frühjahr auf einer 90 Meter langen Bildfläche im Museum Würth II zu sehen war, komplett an seinem iPad gemalt. Bildbearbeitung, Film, Sounds, Musik – in nahezu allen Bereichen künstlerischen Ausdrucks hat die Entwicklung digitaler Programme den Entfaltungsmöglichkeiten menschlicher Fantasie einen enormen Schub gegeben.

Für die Zukunft heißt das neue Medium Künstliche Intelligenz. KI stellt für die Vorstellungen und Debatten des digitalen Zeitalters die Fragen nach Fantasie und Medien noch einmal neu: Kann KI Fantasie?

Wo sind Gefahren? Im schöpferischen Prozess ist die Frage zu beantworten: Wer ist Schöpfer, was ist Werkzeug. Bleibt KI ein Tool, ein Instrument in der Hand des Menschen? Oder besteht die Gefahr, dass Menschen von KI instrumentalisiert werden, zu Werkzeugen gemacht, denen jede eigene Entscheidungsbefugnis abgenommen ist?

Das Phänomen der Instrumentalisierung von Menschen ist allerdings deutlich älter als die Erfindung elektronischer Medien. Lange bevor es Computerspiele gab, wurden auf dem Schachbrett Strategien kriegerischer Auseinandersetzungen spielerisch dargestellt. Und selbstverständlich ist ein Bauernopfer immer eine Option, um den König oder die Königin zu retten. Und leider zeigt uns aktuell auch die Wirklichkeit des Krieges, dass es kein Spiel der Vergangenheit ist, Menschenleben einzusetzen, um die Macht von Staaten und Regierungen zu erhalten. Die Frage nach der Gefährlichkeit von KI ist also nicht nur ein technisches Problem; sie bleibt gekoppelt an die Frage nach der Gefährlichkeit des Menschen. Die Vorstellung, dass KI sich verselbständigen und gegen Menschen richten könnte, entsteht erst in zweiter Linie hinter der auf Erfahrung begründeten Vorstellung, dass KI als Instrument durch Menschen nicht nur zum Wohl, sondern auch als Waffe zur Unterdrückung vieler Menschen eingesetzt werden könnte.

Noch folgt KI der Fantasie des Menschen. Und Fantasie wird wohl beides bleiben: Potential für Schöpfung und Zerstörung – und eben darin Ausdruck von Leben. Ganz gleich, welche Möglichkeiten medialen Ausdrucks und welche Erfahrungen medialer Eindrücke das Leben prägen. So ist es berechtigt, die Frage der Beziehung von Mensch und digitalem Superhirn weiterhin positiv zu verorten. ›Was kann der Mensch besser‹, fragt die ZEIT im April 2023.

Antwort: was Mensch (m/w/d) von Gott gezeigt bekommen hat (oder vielleicht Konjunktiv: hätte lernen können): unberechenbare Barmherzigkeit. Die theologischen Vorfahren haben es Gnade genannt. Manche waren sogar davon überzeugt, dass es das Einzige ist, worauf es ankommt im Leben.

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