Stichwort: Zoon logon echon Macht der Logos den Mensch zum Menschen?

Schon die alten Griechen merkten, dass sich die Menschen von den Tieren unterschieden. Doch wodurch? Der Mensch, das ist das Tier, das (den) logos hat. So meinte Aristoteles (384-322 v.Chr.). In schönstem Griechisch: Zoon logon echon.

Doch wie so oft beim Definieren – die Sache war noch nicht geklärt. Schon unter antiken Philosophen ließ sich trefflich streiten, was der Logos sei. Und die Angelegenheit ist im Lauf der Zeit nicht einfacher geworden.

Ist logos gleich Vernunft? Unterscheidet sich menschlicher Verstand dadurch vom Tier, dass er zum Denken in der Lage ist? Was aber heißt Denken? Braucht es dazu Sprache? Oder genügt eine nur aufnehmende, die Außenwelt verstehende Rationalität? Das wiederum könnten auch Tiere haben (usw., usf.), wer weiß…

Bevor wir gleich das Rätsel lösen: Für die evangelischen Aspekte ist ein Ausflug ans Mittelmeer empfehlenswert. Wenn irgendwo von logos die Rede ist, werden Theologen hellhörig. Logos? Sprache? Wort? War da etwas? Man muss nur in die Frühschriften des Alten Israel sehen und begegnet ständig einem gewissen Wort und Logos. „Ich wache über meinem Wort“, heißt es Jeremia 1,12 – bereits im 7./6. Jh v.Chr. In der Septuaginta, der späteren griechischen Übertragung, wird Wort (dabar) hier mit Logos übersetzt.

Schon der Bedeutungsumfang der hebräischen Vokabeln ist dem griechischen Logos ähnlich: Wort, Sache, Begebenheit, Angelegenheit, Aufzählung, Erzählung, dann auch die logisch aufgebaute, alles in der richtigen Reihenfolge nennende Geschichte…, eine Darlegung… Die hebräischen Texte reichen sogar bis vor das 7./8. Jh. Gemäß Altem Israel schuf Gottes dabar Tier und Mensch gleichermaßen, sein Wortgeist erfüllt beide. Die extensive Rede vom Wort, Worte führen, Redeverlauf… ist somit selbst früher belegt als beim legendären griechischen Vordenker Heraklit (ca. 520–460 v.Chr.)! Dieser sinnierte in dunklen Sprüchen, logos sei wie Feuer. Vgl. Jer 23,29: „Ist nicht mein Wort wie Feuer?“ –

Gibt es eine Beeinflussung? Gelänge ein Nachweis, wäre es eine kleine Sensation… Wenn nicht, ist immerhin deutlich, dass vieles, was die Griechen dann zur Großrede vom Logos ausbauten, im Judentum längst vorgedacht war. Und zur Zeit des Altpersischen Reichs (6.-4. Jh) wissen wir durchaus von Sphären möglichen Austausches zwischen hebräischer und griechischer Kultur. Z.B. in Ägypten (etwa Elephantine?) oder Kleinasien. Freilich ist das nur spekulativ; undenkbar ist es nicht: Jeremia und Jesaja äußern sich rund um das jüdische Exil 586 v.Chr. in Babel und sprechen überaus betont von dabar (gr.: logos). Der Heerführer Kyros verleibte um 550 dem Persischen Reich im Osten große Teile Babyloniens ein, (man ließ dann 539 die Israeliten ziehen) während man im Westen mit den Griechen in dauerhafter Auseinandersetzung stand. 481 wird Athen erobert (Zerstörung der Akropolis). Amtssprache in Persien ist Aramäisch, mit dem Hebräischen eng verwandt. Hat der griechische Logos Ursprünge im Judentum?

Wie dem auch sei. Als Lebewesen, das den Logos hat, ermitteln wir das vielleicht eines Tages. Die Antwort, was den logos habenden Menschen von Tieren unterscheidet, ist indes natürlich sonnenklar: Jeder den Logos Habende kann Ihnen die verraten, wenn Sie nur höflich passend danach fragen.

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