Thomas A. Seidel / Sebastian Kleinschmidt (Hg.): Angst, Politik, Zivilcourage Rückschau auf die Corona-Krise

Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2023, 318 S., 38,00 EUR

Wäre Luther heutzutage als Querdenker beschimpft worden? Diese provokante Frage stellt sich der Journalist Heimo Schwilk in einem von vielen Aufsätzen, die alle das Thema fehlender „christlicher“ Furchtlosigkeit im Angesicht gesellschaftlicher Krisen umkreisen. Besonders in der Corona-Zeit habe es daran gemangelt. Der Grund: Eine gesellschaftliche Stimmung der Angstmache, in der freie Rede immer schwieriger und man schnell als rechts „geframed“ werde, wie sich beispielsweise die Schriftstellerin Kathrin Schmidt beschwert. Politik und Medien hätten Impfnebenwirkungen verschwiegen. Die politisch beschlossenen Kontakt-, Besuchs- und Veranstaltungsverbote seien verfassungsrechtlich fragwürdig gewesen. Am drastischsten formuliert es der Jurist André Kruschke: Die deutsche Demokratie münde mittlerweile in eine „von autistischen, inzestuösen und narzisstischen Persönlichkeiten angeführte politisch-mediale sowie finanzwirtschaftliche Oligarchie, die mittels umfassender Manipulationstechniken gelernt hat, die Massen zu kontrollieren.“

Manche Beitragenden gehen in ihrer Kritik nicht ganz so weit: Der Autor Sebastian Kleinschmidt und die Verlegerin Annette Weidhas betonen die Notwendigkeit, religiös gesellschaftliche Ängste zu bannen. Die Publizistin Vera Lengsfeld und der Theologe Rochus Leonhardt kritisieren die Positionierung der EKD. Letzterer spricht im Angesicht der „Diskriminierung“, unter der Impfunwillige gelitten hätten, von fehlender kirchlicher Kritik am Staat.

Die Beitragenden eint neben ihrer Nähe zum lutherischen Protestantismus in vielen Fällen eine DDR-Vergangenheit, was ihre große Ablehnung der pandemischen, bevormundenden Maßnahmen teilweise erklären mag. Doch insgesamt wird die Bedeutung der Viruserkrankung selbst stark heruntergespielt. Dies wiederholt sich bei der Klimakrise. Auch der Ukrainekrieg findet in den Betrachtungen Eingang, doch seine Deutung unterscheidet sich in den Aufsätzen, die nicht immer sorgfältig auf Fehler gegengelesen wurden, stark.

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