Vertrauen Editorial Ausgabe 1/2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Trau keinem über dreißig“, polemisierte die Studentenbewegung in den 1960er Jahren; denn die Älteren seien mit Starrsinn und Innovationsunfähigkeit geschlagen zu Lasten der Jüngeren, zu Gunsten des „Establishments“. Die „Alten“, die ihrer Verantwortung nicht nachkämen und damit die Lebensgrundlage ihrer Nachkommen aufs Spiel setzten, hat in verblüffender Klugheit und Klarsicht beim letzten Weltklimagipfel die 15-jährige Greta Thunberg angeklagt. „Und da sich unsere Führungskräfte wie Kinder verhalten, müsse wir die Verantwortung übernehmen, die sie schon längst hätten übernehmen sollen.“ Ihr Misstrauensvotum, mit dem sie nun auch in Deutschland eine Schülerbewegung („freitags Schule schwänzen fürs Klima“) angezettelt hat. Wie Loyalität, Vertrauen und (soziale) Verantwortung sich wechselseitig fördern, zeigt der Vertrauensforscher Martin Schweer.

Apropos Bewegung: Damit das Geschäft mit dem Vertrauen – mit all den wackeligen Finanzprodukten von Banken und ihren Betrügereien – endlich aufhört, bedarf es der Gegenwehr von Jung und Alt, einer „Bürgerbewegung Finanzwende“, argumentiert Gerhard Schickdafür zieht er sich aus der politischen Bühne Parlament zurück.

Vertrauen ist ein zartes Pflänzchen. Da verheißt es nichts Gutes, wenn Politiker in europäischen Bevölkerungen als Vertrauenspersonen abgewirtschaftet haben. Sie „genießen“ unter 20.000 Befragten in 19 Ländern das Vertrauen von ganzen sechs Prozent. Schlusslicht! An der Spitze der Vertrauenstabelle stehen Feuerwehrleute (94 Prozent), immerhin noch in der Mitte Pfarrer*innen (55 Prozent). Vergessen wir jedoch nicht: „Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“ (angeblich W. Churchill).

Vertrauensforschung ist eine Querschnittsaufgabe verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, wie auch in diesem Heft deutlich wird. Kein Wunder, dass wir nicht alle Fragestellungen berücksichtigen konnten. Wer sich für einen Umstand entschuldigt, für den er absolut nichts kann, erscheint z.B. vertrauenswürdiger als andere, die das nicht tun. „Entschuldigen Sie bitte den schlimmen Regen, aber könnte ich mir gerade mal ihr Handy ausleihen?“ Die so vorgetragene Bitte ist mit großem Abstand erfolgreicher als ihre reduzierte Form: „Entschuldigung, könnte ich…“!

Western-Fans fällt beim Thema Vertrauen/Sicherheit natürlich sofort der Filmklassiker Spiel mir das Lied vom Tod (1968) ein, die Szene, in der Killer-Frank (Henry Fonda), einem stammelnd seine Glaubwürdigkeit beschwörenden Mann die legendäre Antwort erteilt: „Wie soll ich einem Mann trauen, der sich‘n Gürtel umschnallt und außerdem Hosenträger hat? Einem Mann, der noch nicht mal seiner eigenen Hose vertraut?” Frank vertraut auf seinen Colt: Wer zuerst schießt, überlebt.

Im Duell der Staaten weiß Donald Trump Bescheid. Beschied er doch seinen nordkoreanischen Kollegen Kim: „mein Atomknopf ist größer als seiner“. Das Gleichgewicht des Schreckens (wer zuerst schießt, stirbt als zweiter) ist ein Konzept militärischer Sicherheit, basierend auf Rüstungs-Kontroll-Verträgen. Ein Auslaufmodell?

Was immer Sie tun, wo immer Sie sind, machen Sie ein vertrauenswürdiges Gesicht. Die Forscher sagen uns, es sei – das beste Pokerface (Hosenträger sind demgegenüber zweitrangig).

Ihr
Hermann Preßler

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