Im vergangenen Jahr konnten die Weltläden in Deutschland ihren 50. Geburtstag feiern. Dass es heute bundesweit mehr als 930 Weltläden gibt, ist eine grandiose Erfolgsgeschichte. Doch als eine in die Jahre gekommene Organisation haben die Weltläden auch mit Herausforderungen zu kämpfen.
Die Weltläden sind die größte und älteste entwicklungspolitische Bewegung in Deutschland. Diese ist allerdings in der jüngeren Zeit ein Stück weit aus dem Licht der Öffentlichkeit gerückt. Um dem entgegenzuwirken hat der Weltladen-Dachverband vor zwei Jahren das Projekt „Weltläden neu erzählen“ ins Leben gerufen. Es hat zum Ziel, den Markenkern der Weltläden inhaltlich und optisch prägnanter zu gestalten und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu stärken. Rainer Lang sprach mit Christoph Albuschkat von der Öffentlichkeitsarbeit des Weltladen-Dachverbandes über den Fortschritt des Projekts sowie über Herausforderungen und Zukunft der Weltladen-Bewegung.
Die Weltläden haben vor einem Jahr ihren 50. Geburtstag gefeiert. Wie sieht ihre Zukunft aus?
Albuschkat: Wir leben in Zeiten von schweren Krisen, was sicherlich Auswirkungen auf den Fairen Handel und die Weltläden hat. Aber unsere Wahrnehmung ist, dass die Weltläden erstaunlich gut durch diese Krisen kommen. Während der Coronapandemie befürchteten wir, dass viele Weltläden schließen müssen, weil hier vor allem ältere Menschen arbeiten. Aber sie haben sich mit viel Kreativität erstaunlich schnell auf die neuen Bedingungen eingestellt und auch den notwendigen Schritt zur Digitalisierung während der Kontaktsperren schnell gemacht.
Dann brauchen Sie sich jetzt keine Sorgen zu machen?
C.A.: Es machen immer wieder Weltläden zu, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Zum Beispiel wurden jetzt dem Geschäft in Wiesbaden die Räumlichkeiten gekündigt. Aber uns stimmt optimistisch, dass laut den Zahlen, die uns vorliegen und bei denen wir davon ausgehen, dass sie repräsentativ sind, es in den letzten zehn Jahren mehr Eröffnungen als Schließungen gab. So stehen 64 Eröffnungen nur 40 Schließungen gegenüber. Der konventionelle Einzelhandel ist von der Krise unserer Beobachtung nach wesentlich stärker betroffen.
Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
C.A.: Ein Grund ist sicher, dass die Menschen, die in Weltläden arbeiten, viel Leidenschaft und Herzblut mitbringen. Rund 90 Prozent der Menschen arbeiten ehrenamtlich dort, viele engagieren sich seit Jahrzehnten. Ein Beispiel für das Engagement ist Aachen. Dort musste der Weltladen Anfang des Jahres schließen, weil sich die Besucherströme verändert hatten. Vor kurzem gab es eine Neueröffnung in der Fußgängerzone. Die Menschen lassen sich nicht unterkriegen. Das ist ein starkes Pfund der Weltladen-Bewegung und Ausdruck von Herzblut und Kreativität.
Der erste Weltladen wurde übrigens in Stuttgart gegründet. In der City ist dort schon vor einigen Jahren ein neuer attraktiver Laden entstanden mit einem modisch ansprechenden und zeitgemäßen Angebot. Dagegen wirkt in den Vororten oder in ländlichen Regionen mancher Weltladen doch etwas angestaubt.
C.A.: Diese Beobachtung ist durchaus zutreffend. Es gibt mehr als 930 Weltläden in Deutschland. Alle sind sehr unterschiedlich. Manche scheinen in den 80er Jahren stehen geblieben zu sein, andere sind super modern, mit ganz normalen Öffnungszeiten und tollen Produkten. Die Spannbreite ist sehr groß.
Was tun Sie, um Weltläden auf dem Weg der Modernisierung zu unterstützen?
C.A.: Schon Ende der 90er Jahre haben wir begonnen, den Prozess der Modernisierung und Professionalisierung einzuleiten. Es gab um 2005 auch ein großes von der Bundesregierung gefördertes Modernisierungsprojekt. Es ging dabei um ein einheitliches Logo, einheitliche Farbe und Schrift sowie eine attraktive Ladengestaltung. Das waren wichtige Impulse. Seit diesem Jahr bieten wir Weltläden unter dem Namen „Weltläden neu erzählen“ Kommunikationshilfen an, mit denen sie die Öffentlichkeit besser erreichen können – gerade auch junge Menschen. Wir ermutigen Weltläden auch, mehr hauptamtliche Stellen einzurichten. Es ist eine Wende, die man hinbekommen muss.
Wie sieht diese konkret aus?
C.A.: Es geht um einen Bewusstseinswandel – sowohl bei den Mitarbeitenden, aber auch bei der Kundschaft. Im Fairen Handel geht es nicht um Mildtätigkeit oder Hilfe, sondern schlicht und einfach um Gerechtigkeit. Mit ihren tollen Produkten müssen sich Weltläden auch nicht verstecken, sondern sich als attraktive Fachgeschäfte für Fairen Handel präsentieren. Das nutzt letztlich auch den Produzenten, ihre Produkte besser zu verkaufen.
Und wie ist es mit dem Personal? Im Weltladen arbeiten vor allem ältere Menschen.
C.A.: Das hohe Durchschnittsalter ist wohl die größte Herausforderung für die Weltladen-Bewegung. Wir haben das im Dachverband auf dem Schirm. Wir bieten Fortbildungen an, um Weltläden bei der Suche nach neuen und jüngeren Mitarbeiter*innen zu begleiten.
Sind nicht auch Supermärkte und Discounter, die immer mehr Produkte aus Fairem Handel anbieten, eine große Konkurrenz?
C.A.: Das ist keine neue Entwicklung. Schon vor mehr als 30 Jahren hat diese eingesetzt. Das trägt eher dazu bei, faire Produkte bekannter zu machen. Zwischen 30.000 und 40.000 Supermärkte und Discounter bieten inzwischen ein eingeschränktes Sortiment fair gehandelter Waren an. Problematisch wird es nur, wenn dort die Angebote wesentlich günstiger sind als im Weltladen. Denn es steckt eine andere Philosophie dahinter. Weltläden bieten die breiteste Auswahl fair gehandelter Produkte und leisten außerdem noch Bildungsarbeit und politische Arbeit.