Kristin Helberg: Der Syrien-Krieg Lösung eines Weltkonflikts

Verlag Herder, Freiburg, 2018, 256 S., 22,00 EUR, e-Book 16,99 EUR

Dass die Tragödie, die sich seit 2011 (aber nicht erst mit Kriegsbeginn) in Syrien abspielt, ein Weltkonflikt ist, zeigt die Journalistin und Nahostexpertin Helberg überzeugend auf. Ihre gut begründete These lautet, der Syrienkrieg habe die Welt in Un-Ordnung gebracht, indem er die internationale Politik „syrenisiert“ habe. Dass der Untertitel den Anspruch erhebt, sie habe auch eine „Lösung“ parat, ist eher Marketing – ein nicht wirklich eingelöster Anspruch, aber dennoch einer mit Verweis auf Realitäten, an denen sich das Geschick der Parteien, die (irgendwann) eine Nachkriegsordnung für die völlig „zerstückelte“ Bevölkerung und das zerstörte Land aushandeln (werden), bewähren und abarbeiten muss. Helberg ist sich dessen bewusst, nennt sie im 5. und letzten Kapitel ihres sehr empfehlenswerten Buches ihre Überlegungen „Wunschdenken“. Aber was bliebe sonst, als das zähe Verfolgen der – richtigen – Wünsche?

Ein falscher Wunsch, gegen den sich die Autorin vehement wendet und die Europäer warnt, wäre der, sich resignativ mit (dem scheinbar siegreichen) Assad als dem „kleineren Übel“ abzufinden und ihm das Land zu überlassen, nachdem die Aufständischen mit der (Kriegs-)Zeit in die unübersichtlichen, zum Teil einander bekämpfenden Gruppen der Rebellen, syrischen Islamisten, internationalen Dschihadisten, regionalen Milizen, religiösen Gruppen und Kurden mit ihren jeweiligen ausländischen Unterstützern zerfielen. Daher – das stehe bei einer Lösung ganz oben an – stünden die Syrer selbst vor der Aufgabe einer „gesellschaftlichen Revolution“, d.h. „dass jede Veränderung auf der individuellen Ebene beginnen muss“ (S. 239), weil das autoritäre, auf dem Recht des Stärkeren basierende System Assad in jedem Syrer hause.

Anlass für Helberg zu betonen, wie wichtig es für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland wäre, Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Respekt vor dem Andersdenkenden zu erleben und mit dieser Erfahrung einmal in ihre Heimat zurückzukehren. Auch das wäre ein deutscher Beitrag zur Überwindung der innersyrischen Gräben und mittelfristig ein zivilgesellschaftlicher Ansatz, Assads Herrschaft zu überwinden. Auch beim – von internationalen Geldgebern abhängigen –(äußerlichen) Wiederaufbau Syriens könne Deutschland mit dafür sorgen, dass die Verteilung der dafür notwenigen Mittel für das Erstarken von Assads Gnaden unabhängiger und gemeinwohlorientierter wirtschaftlicher Akteure sorge.

Indem der innersyrische Konflikt „internationalisiert“ wurde, wurde die Welt „syrenisiert“. So auf den Punkt gebracht, liege der Schlüssel zur globalen Entspannung in einer Rückkehr zur Vernunft: Gefunden werden müsse ein fairer Interessenausgleich zwischen Iran und Saudi-Arabien, Israel und Iran, der Türkei und der (kurdischen) PKK – ausländischen Akteure, die zur Durchsetzung eigener Interessen in Syrien für Chaos sorgen. Putin könnte „als Strippenzieher in Nahost“ ebenso mitwirken wie Trump mit seiner unberechenbaren „Schulterklopf-Diplomatie“ (S. 234), lang gepflegte Feindbilder zu überwinden. Ob es ihnen bald gelingt, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen?

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