Otfried Höffe: Ist Gott demokratisch? Zum Verhältnis von Demokratie und Religion

Hirzel Verlag, Stuttgart 2022, 232 S., 24,00 EUR

Der Tübinger Philosoph Otfried Höffe geht in seinem gut lesbaren Essay der Frage nach, ob Religion(en) und säkulare Demokratie(n) sich gegenseitig ausschließen oder ob sie sich in ein vernünftiges, dem Gemeinwohl dienendes Verhältnis bringen lassen.

In einem ideengeschichtlichen ersten Hauptteil rekonstruiert Höffe das Verhältnis zwischen Religion und Staaten. Dabei widerlegt er die „Große Erzählung“, wonach die Moral zu Beginn der Menschheitsgeschichte religiös begründet war und erst sekundär von dieser Verbindung gelöst wurde. Anhand des Konfuzianismus und der Philosophie des Aristoteles, aber auch des Dekalogs des Alten Testaments untermauert Höffe seine These, dass Religion in vielen Kulturen für die Begründung von Moral, Recht und Staatsformen nahezu belanglos war. Erst auf diesem Hintergrund sei es zu einer „Entsäkularisierung“ etwa durch christliche Denker wie Augustinus gekommen. Im weiteren Verlauf zeichnet Höffe kenntnisreich und spannend geschrieben Verhältnisbestimmungen von Religion und säkularem Staat vom Mittelalter bis zur Gegenwart nach – wobei er radikale Religionskritiker ebenso zu Wort kommen lässt wie „neuere Verteidiger der Religion“.

Auch wenn die meisten westlichen Staaten heute weitgehend säkularisiert auftreten, spielt Religion in vielen gesellschaftlichen Debatten und politischen Konfliktlagen eine wesentliche Rolle – darin zeigt sich die Aktualität des Essays. Im zweiten Hauptteil geht Höffe der Frage nach, welchen Sinn und Wert Religion(en) für ein Zusammenleben in Demokratien, aber auch für das gelingende Leben des Einzelnen haben können. Dabei wird ein breiter Horizont von der Sprache über die Architektur, die Kunst, die Musik, den Jahreskreis, die Wirtschaft bis hin zu Gefühlen und Tugenden eröffnet. Auf der anderen Seite zeigt Höffe auch schonungslos die Gefahren auf, die von Religionen für Demokratien ausgehen können. Dabei greift er Argumente von der antiken Religionskritik bis zur Moderne auf und betrachtet auch jüngste Phänomene wie etwa den „Neuen Atheismus“ oder den „politischen Islam“.

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