Toxic Church? Kolumne

Der Podcast „Toxic Church – Die Hillsong Story“ hat im Frühjahr dieses Jahres für viele Medienberichte und Diskussionen gesorgt. Der Podcast beschäftigt sich mit der Kritik an Hillsong Deutschland, einer Freikirche mit mehreren Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Hillsong Deutschland gehört zu der in Australien gegründeten Freikirche Hillsong, die ähnlich wie ein Franchiseunternehmen funktioniert. Hillsong wurde vor allem durch moderne Lobpreismusik, große Konferenzen und prominente Mitglieder bekannt. Im Podcast äußern ehemalige und aktuelle Mitglieder schwere Vorwürfe: Sie berichten von einer Gemeindekultur, die dazu geführt habe, dass sie für ihr Engagement in der Gemeinde regelmäßig über ihre Grenzen gegangen seien. Auch kritisieren sie mangelnde finanzielle Transparenz.

Jetzt kann man natürlich sagen, das sei ja eine Freikirche, das betreffe die Landeskirchen gar nicht. In Teilen ist das auch richtig, auch weil die demokratischen Strukturen in den Landeskirchen zu einer größeren Machtverteilung und mehr Transparenz führen. Das ist eine große Stärke unserer Strukturen, die wir in den Landeskirchen wahrscheinlich zu oft vergessen und in der Öffentlichkeit selten erwähnen.

Aber die Berichte aus dem Podcast werfen durchaus Fragen auf, die auch für Gemeinden in der Landeskirche wichtig sein können. In Hinblick auf Führung und Leitung lässt sich fragen: Erkundigen wir uns bei den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in unseren Gemeinden regelmäßig, wie es ihnen geht? Können unsere Ehrenamtlichen auch mal Pausen machen? Stehen Menschen in unserer Gemeinde unter Druck, sich besonders viel einzubringen? Haben wir eine Kultur, in der man auch Nein sagen kann? Wie gehen wir mit Konflikten um? Wissen alle, an wen sie sich im Konfliktfall wenden können?

Auf der Ebene konkreter Ehrenamtlicher und Pfarrpersonen in Leitungspositionen kann das heißen: Wie gehe ich mit Kritik um? Bin ich in der Lage, konstruktive Kritik auch als Form positiver Beteiligung wahrzunehmen? Wie ist die Kultur im Kirchengemeinderat bzw. Presbyterium? Gibt es einzelne, die die Sitzungen dominieren – wenn ja: Warum?

Wenn ich mit Menschen spreche, die sich viel ehrenamtlich in der Kirche engagieren, wird mir oft eines von drei Narrativen erzählt, wie diese Menschen zu ihrem Engagement kamen. Die einen waren so begeistert, dass sie gerne selbst mitmachen wollten, die anderen sahen viel Potential und wollten ihre Ideen einbringen und wieder andere wurden gefragt, weil dringend noch jemand für den Kirchendienst, den Kirchengemeinderat etc. gebraucht wurde. Manche Personen aus der letzten Gruppe freuten sich riesig über eine solche Frage und fanden dadurch etwas Neues, das ihnen Spaß macht. Andere wiederum sagten dann nur aus reinem Pflichtgefühl zu, fühlten sich in etwas hineingedrängt oder konnten schlicht und ergreifend nicht Nein sagen.

Besonders in einer älter und kleiner werdenden Kirche, in der die personellen Ressourcen abnehmen, wird es wichtig sein, dass wir Gemeinden haben, die eine gesunde Kultur des Miteinander leben. Gemeinden, in denen sich Macht und Verantwortung auf viele Schultern verteilen, Menschen durch ihr Engagement wachsen können und nicht ausgebeutet werden, und alle auch mal eine Pause machen können. Dazu sollten wir aus den Fehlern anderer lernen, damit wir am Ende nicht auch zur „Toxic Church“ werden.

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