Heimat Ausgabe 4/2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“, sinniert Karl Valentin in seinem Dialog „Die Fremden“. Nicht unrichtig – aber was ist eigentlich das Gegenteil zu fremd? Unfremd? Und wie lange fühlt sich ein Fremder in der Fremde fremd, und bleibt er für immer ein Fremder, auch wenn er schon lange da ist? Und wie geht es Fremden unter Fremden? Das Spiel mit den Worten wird von ihm, wie er das gerne tut, so weit getrieben, bis der Begriff „fremd“ sich beinah verflüchtigt hat – im Kriegsjahr 1940 alles andere als selbstverständlich, und im Jahr 2019 ist es das immer noch nicht.

Was ist das Fremde, was das Eigene? Wo ist ein Mensch zuhause? Was ist Heimat, dieser Sehnsuchtsort, der meist nur in der Erinnerung gefunden wird? Kann man dieses geliebte und verächtlich gemachte, ideologisch missbrauchte und romantisch verklärte „deutsche Urwort“ Heimat überhaupt noch unbefangen in den Mund nehmen? Man kann es offenbar! Sieht man sich die Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt in den letzten Jahren an, scheint der Heimatbegriff fröhliche Urständ zu feiern, und zwar durchaus auch mit überraschender Blickrichtung. Aber auch die politischen Parteien und die Marketingexperten haben die Heimat für sich neu entdeckt, ebenfalls oft mit überraschender, wenn auch weniger erfreulicher Blickrichtung. Was ist das, wohin jeder will und worin noch keiner war (frei nach Ernst Bloch) – Heimat?

„Herkunft“ heißt der gerade mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman von Saša Stanišić, der von Hermann Preßler gewürdigt wird. Der Preisträger beschreibt darin einfühlsam seine Kindheit und Jugend als bosnisches Flüchtlingskind. Heimat entsteht nicht durch das Verleugnen der Herkunft, Heimat entsteht durch Nähe, durch Vertrauen, durch Menschen – es ist ja eigentlich so einfach, oder könnte doch so einfach sein…

Doch so einfach ist es nicht. Auch das Recht, ein Dach über dem Kopf zu haben, ein „Dach über dem Leben“ gehört zur Heimat. Was bedeutet es für Menschen, wenn ihnen dieses Recht verwehrt wird? Der Theologe Theo Christiansen berichtet aus seiner Erfahrung.

Herrmann Preßler nimmt ironisch- nostalgisch altes und neues Liedgut zum Thema Heimat unter die Lupe, die Literaturwissenschaftlerin und Social Media-Managerin Heike Schmidt-Langer erklärt den „digital immigrants“, was für die „digital natives“ Beheimatung im Netz bedeutet, und der Weltreisende auf dem Fahrrad Sascha Stöckl fragt sich, wonach er die ganze Zeit über gesucht hat – vielleicht nur nach sich selbst, nach der Heimat im eigenen Herzen?

Viele andere spannende Blicke auf das alte und ewig junge Wort erwarten Sie in diesem Heft.

Die Redaktion wünscht eine anregende Lektüre!

Ihre Elke Münster

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